17.06.2005

Für die Berücksichtigung der Menschrechte in der chinesischen Politik kämpfen

Ein Briefaufruf der GfbV

Göttingen
Bitte unterstützen Sie unseren Menschenrechtseinsatz für Tibeter und Uiguren und gegen die Bedrohung Taiwans!

Göttingen,im Herbst 2004

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde,

wir sind entsetzt: Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac wollen noch in diesem Herbst erreichen, dass das EU-Waffenembargo gegen China aufgehoben wird. Es wurde nach dem furchtbaren Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking 1989 verhängt. Doch China verübt weiterhin schwere Menschenrechtsverletzungen an den Tibetern und anderen kleineren Völker, bedroht ständig den kleinen demokratischen Nachbarstaat Taiwan mit Krieg und unterstützt die Verbrechen der sudanesischen Regierung in Darfur. Trotzdem wollen Schröder und Chirac, zwei der einflussreichsten europäischen Politiker, China in Sachen Menschenrechten Fortschritte bescheinigen.

Aus Tibet zum Beispiel haben chinesische Behörden offiziell nur Gutes zu berichten. Staatsbedienstete behaupten ohne mit der Wimper zu zucken, der Lebensstandard der Tibeter steige, Menschen- und Bürgerrechte würden beachtet. Doch Unterdrückung und Furcht prägen den Alltag der Tibeter bis heute. Immer wieder erreichen uns erschütternde Berichte über die Situation der Menschen auf dem Dach der Welt, und nur selten haben standhafte tibetische Mönche so viel Glück im Unglück wie Jampel Rinchen. Der 20-Jährige wollte sich nicht vom Dalai Lama distanzieren und wurde deshalb aus seinem Kloster gewiesen. Er zögerte nicht lange und flüchtete nach Nepal, wo er im August auch wohlbehalten ankam.

Da hat der tibetische Mönch Jampel Gyatso Schlimmeres durchleiden müssen als "nur" die Angst, die beschwerliche Flucht ins kleine Nachbarland nicht durchzustehen, von seinen chinesischen Verfolgern eingeholt oder von nepalesischen Grenzschützern festgehalten und doch noch ausgeliefert zu werden. Jampel Gyatso wurde im Jahr 2001 verhaftet mit der Begründung, er habe Kassetten mit buddhistischen Lehren des Dalai Lama gehört. Zwei Jahre Haft musste der 35-Jährige deswegen verbüßen. Im Gefängnis wurde er gefoltert wie viele seiner Leidensgenossen. Nach seiner Freilassung ist auch er nach Nepal geflohen. Dort treffen jede Woche neue Flüchtlinge aus Tibet ein. Diejenigen, die die Strapazen der Flucht nicht durchstehen, sich verirren, vor Erschöpfung einschlafen und erfrieren oder auf dem gefährlichen Weg tödlich verunglücken, zählt niemand.

Der Dalai Lama, den die beiden Mönche nicht verleugnen wollten, hat uns bei seinem Deutschlandbesuch vor wenigen Monaten in einem Gespräch persönlich darum gebeten, unsere Tibet-Arbeit noch zu verstärken. "Sie haben unschätzbare Hilfe geleistet, doch Tibet ist in Gefahr und braucht Sie heute mehr denn je", sagte er. Wer Bilder des Dalai Lama besitzt, die chinesischen Machthaber kritisiert oder gar gegen Peking protestiert, dem drohen jahrelange Haftstrafen. Regelmäßig wird in Gefängnissen gefoltert. Unsere Menschenrechtsorganisation kann überhaupt nicht ausschließen, dass chinesische Truppen auch in Tibet wieder auf Demonstranten das Feuer eröffnen.

Auch die im Nordwesten Chinas lebenden muslimischen Uiguren klagen über immer mehr Verfolgung. Allein in diesem Jahr wurden 50 Uiguren zum Tode verurteilt. Wer sich friedlich für den Erhalt der uigurischen Sprache und Religion oder für mehr lokale Mitbestimmungsrechte einsetzt, wird als "Terrorist" kriminalisiert. So wird ein Kreislauf der Gewalt erzeugt, vor dem die GfbV seit Jahren warnt. Systematisch missbraucht Peking den Kampf gegen den internationalen Terrorismus zur Unterdrückung der Uiguren. Dies verschärft die Situation in Ostturkestan und könnte Unruhen schüren.

Ihr Schicksal wird in der Öffentlichkeit viel weniger beachtet als das der buddhistischen Tibeter. Gerade deshalb haben wir auch 2004 bei der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen diese Verbrechen Chinas angeklagt und sie in Reporten und Memoranden dokumentiert. Wir arbeiten derzeit an einem neuen Menschenrechtsreport, über die Verfolgung der Uiguren und im Herbst erscheinen soll. Auch chinesische Demokraten werden von Peking weiterhin verfolgt. Über 50 Studentenführer leiden wegen ihrer Teilnahme an den Protesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens vor 15 Jahren noch immer in chinesischen Gefängnissen. Bis heute ist die blutige Niederschlagung der friedlichen Demonstration ungesühnt.

Für die Aufhebung des Waffenembargos hatte sich Schröder zum ersten Mal im November 2003 ausgesprochen. Das hatte uns schon damals alarmiert. Seitdem haben wir keine Gelegenheit ausgelassen, Initiativen gegen eine Lockerung dieser EU-Maßnahme zu ergreifen: So drängten wir die gesamte Basis der Grünen, sich bei ihren Spitzenpolitikern gegen eine Embargo-Aufhebung auszusprechen. (Außenminister Joschka Fischer hat inzwischen - auch angesichts innerparteilicher Proteste - tatsächlich Bedenken gegen den Vorstoß des Kanzlers geäußert.) Wir erarbeiteten einen 22seitigen Report über die katastrophale Menschenrechtslage in China. Vor dem Hintergrund zunehmender Drohungen Pekings gegen das demokratische Taiwan warnten wir in zahlreichen Presseerklärungen und Gesprächen mit Vertretern europäischer Außenministerien vor einem Einsatz europäischer Waffen gegen Taiwan. Nach massiven Manövern der chinesischen Marine vor Taiwan wächst die Angst unter den 23 Millionen Einwohner des Inselstaates. Selbst Berater der japanischen Regierung sprechen bereits von einer militärischen Bedrohung ihres Landes durch China.

Noch bevor die EU-Außenminister über die Aufhebung des Embargos beraten, werden wir uns abermals zu Wort melden. Denn damit die Menschenrechte endlich Vorrang vor den Interessen der Rüstungslobby bekommen, müssen wir den Druck auf den Bundeskanzler und die EU-Politiker nochmals verstärken. Auch deshalb wurde unser Report "China: Menschenrechtslage dramatisch – Embargo aufrechterhalten!" jetzt ins Englische übersetzt. Wir wollen auch die Auswärtigen Ausschüsse der Parlamente in Europa damit konfrontieren und sie dringend bitten, sich gegen die Aufhebung des Waffenembargos einzusetzen.

Europa darf schon deshalb kein Entgegenkommen zeigen, weil Peking die Menschenrechte nicht nur im eigenen Land mit Füßen tritt: China hat im Weltsicherheitsrat wirksame Sanktionen gegen den Völkermord im Westsudan verhindert. Und zwar aus purem Eigennutz. Denn die Ölimporte aus diesem afrikanischen Land werden für Peking immer wichtiger.

Mit diesem Schreiben möchten wir Ihnen nicht nur die Entwicklung der Menschenrechtslage in China und Tibet, die Gefahren für Taiwan und unseren Einsatz für alle diese bedrohten Menschen skizzieren. Wir verknüpfen damit auch die herzliche Bitte, unsere Menschenrechtsarbeit finanziell zu unterstützen. Unsere vielfältigen Initiativen der vergangenen Monate haben unser Asien-Budget fast ausgeschöpft. Bitte helfen Sie uns mit einer Spende. Wir brauchen gerade jetzt so kurz vor der EU-Entscheidung über das Waffenembargo besonders Ihre Unterstützung!

Wir danken Ihnen vielmals im Voraus für Ihre Hilfe!

Mit herzlichen Grüßen

Mit herzlichen Grüßen

Tilman Zülch Ulrich Delius

Generalsekretär Asien-Referent

PS: Bitte nehmen auch Sie sich den Appell des Dalai Lama zu Herzen:

Tibet braucht unsere Hilfe mehr als je zuvor! Ob Sie 5 Euro, 10 Euro, 20 Euro oder mehr spenden können für unseren Menschenrechtseinsatz – jeder Beitrag hilft!