23.06.2005

Friedensmarsch tschetschenischer Flüchtlinge erreicht sein Ziel: Demonstration in Straßburg

200.000 Tote in Tschetschenien! Europarat soll Russland das Stimmrecht entziehen

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates soll der russischen Delegation das Stimmrecht entziehen und bei seinen Mitgliedsstaaten für eine Staatenklage gegen Russland vor dem Europäischen Menschenrechts­gerichtshof werben. Diese Forderung erhebt die Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV) auf einer Demonstration tschetschenischer Flüchtlinge am Donnerstag in Straßburg. Sprecher der Flüchtlinge, die mit einem 24tägigen Friedensmarsch vom EU-Sitz Brüssel zur Parlamentari­schen Versammlung des Europarates auf das fortgesetzte Leid der Zivilbe­völkerung im Tschetschenienkrieg aufmerksam gemacht hatten, wollen die europäischen Institutionen an ihre Verpflichtung erinnern, sich für die Ein­haltung der Menschenrechte in der Russischen Föderation zu engagieren.

 

"Das Ministerkomitee des Europarates muss die Mitgliedsstaaten, besonders Deutschland und Frankreich, zu einer konsequenten, an der Einhaltung der Menschenrechte orientierten Russlandpolitik aufrufen", sagt die Sprecherin der GfbV International, Sarah Reinke, in Straßburg. In den vergangenen Jah­ren seien schon etliche Initiativen von der Parlamentarischen Versammlung ausgegangen wie die Forderung nach einem Tribunal, das Einberufen eines Runden Tisches oder Treffen mit Vertretern der tschetschenischen Regie­rung. Dafür seien Menschenrechtsorganisation wie auch die Tschetschenen selbst dankbar. Der Genozid in Tschetschenien, die Unruhen im Nordkauka­sus und die Einschränkung der demokratischen Grundfreiheiten in der Rus­sischen Föderation selbst, machten jedoch deutlich, dass Russland die Vor­aussetzungen für eine Mitgliedschaft im Europarat nicht erfüllt:

 

  • Der Krieg in Tschetschenien dauert mit unverminderter Härte an. Die russi­sche Regierung verhindert eine politische Lösung.
  • In Tschetschenien gehen die Verantwortlichen für schwere Menschen­rechtsverletzungen straffrei aus.
  • Menschenrechtsverteidiger, Mitglieder von Menschenrechtsorganisationen und Journalisten werden verfolgt, unterdrückt, schikaniert und in Einzelfällen ermordet.
  • Personen, die vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof Klage wegen Verbrechen in Tschetschenien erhoben haben, werden verfolgt.
  • In letzter Zeit häufen sich Berichte über das "Verschwindenlassen" von An­gehörigen mutmaßlicher tschetschenischer Kämpfer.
  • Tschetschenien ist immer noch weitgehend von der Außenwelt abgeriegelt.
  • Nach Angaben der Organisation Memorial sind allein seit Beginn 2005 wie­der mindestens 128 Personen in Tschetschenien "verschwunden".
  • Trotz Ablauf der Frist hat Russland bislang das 6. Protokoll der Europäi­schen Menschenrechtskonvention über die Abschaffung der Todesstrafe nicht ratifiziert.
  • Nach Gesetzesänderungen durch den Kreml ist die Unabhängigkeit der Justiz, des Parlamentes und der Presse in Russland nicht mehr garantiert. Selbst die Gouverneure der Regionen werden nicht mehr gewählt, sondern vom Präsidenten bestimmt.