07.04.2010

Folter, Vergewaltigungen und Ermordungen durch die Polizei in der Terai-Region

WRITTEN STATEMENT Nepal

Ein Jahrzehnt lang, von 1996 bis 2006, kämpften die nepalesische Regierung und maoistische Rebellen in einem verbitterten Bürgerkrieg, der mit dem "Umfassenden Friedensabkommen" (CPA) vom November 2006 endete. Während des Krieges wurden mehr als 13.000 Menschen getötet, meist durch Staatsgewalt, tausende Zivilisten verschwanden. Große Bevölkerungsteile misstrauen den Staatsbehörden und politischen Führern nach wie vor. Bevor am 28. Mai 2010 die Frist abläuft, muss eine neue Verfassung entworfen, die Landesregierung umstrukturiert und neue Staaten geschaffen werden. Am 22. Januar 2010 verlängerte der UN-Sicherheitsrat das Mandat der UN-Mission in Nepal (UNMIN) für vier Monate. Ihr Mandat umfasst die Überwachung der Waffenverwaltung und des Personals der nepalesischen Armee sowie der Kommunistischen Partei Nepals (CPN-M), die sich nun Kommunistische Partei Nepals-Maoisten (UCPN-M) nennt. Den jüngsten Berichten des UN-Generalsekretärs Ban Ki-Moon zufolge gab es bisher keine Einigung in Fragen bezüglich der Integration und des Wiederaufbaus der maoistischen Armee, der Demokratisierung der nepalesischen Armee und des Ausmaßes des Einflusses des Präsidenten.

 

Maoistische Kämpfer bleiben meist in von den UN überwachten Lagern, Kindersoldaten freigelassen

Mehr als 15.000 maoistische Soldaten befinden sich nach wie vor in Lagern, die von den UN überwacht werden. Während ihres Aufstands, der das Völkerrecht verletzte, rekrutierten die Maoisten Kindersoldaten, die zu Guerillakämpfern ausgebildet wurden. Am 8. Februar 2010 ließen die Maoisten die letzten der fast 3.000 Kindersoldaten, die sie während ihrer Revolte rekrutiert hatten, sowie geschätzte 1.000 erwachsene Kämpfer frei. Das Entlastungsverfahren hatte einen Monat zuvor begonnen. Die UN, Kreditgeber und die Regierung stellen Wiederaufbaupakete für die ehemaligen Kindersoldaten zur Verfügung, die ihnen die Möglichkeit bieten, zurück zur Schule zu gehen, eine Berufsausbildung zu wählen oder kleine Unternehmen zu gründen. Trotz dieser Anstrengungen wird es schwierig sein, sie in die nepalesische Gesellschaft zu integrieren, da viele - nicht wie die meisten Kindersoldaten in Afrika - den Maoisten freiwillig beigetreten sind und dadurch eine tiefere Beziehung zur maoistischen Organisation und Ideologie gebildet haben.

 

Straffreiheit

Während des Konflikts waren Folter, Verhaftungen und Entführungen weit verbreitet. Das Schicksal von etwa 1.000 Personen ist nach wie vor unbekannt. Ermittler schätzen, dass die Staatsbehörden für 80 Prozent der Entführungen verantwortlich sind. Tausende Zivilisten wurden unrechtmäßig ermordet und gequält oder verschwanden. Beide Seiten wiesen Anschuldigungen, außerhalb des Gesetzes gehandelt zu haben, wiederholt zurück.

Die Armee behauptet nach wie vor, sie befasse sich mit Tätern in ihren Reihen, befördert aber Offiziere, die als mutmaßliche Menschenrechtsverletzer identifiziert wurden. Die Armee weigert sich, Polizeikräfte in ihre Stützpunkte zu lassen, während die Regierung verlauten ließ, sie habe nicht die notwendige Macht, um Ermittlungen gegen die Armee einzuleiten. Die Maoisten sehen ihre eigenen Mitglieder nicht für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich; sie entsenden sogar Personen, die als Menschenrechtsverletzer bekannt sind, in die verfassungsgebende Versammlung. Folter und Misshandlung in Polizeigewahrsam sind noch immer verbreitet.

Straffreiheit herrscht auch hinsichtlich häufiger Angriffe auf die Medien vor. In dem weltweiten Straffreiheitsindex des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) stand Nepal 2009 an achter Stelle. Mindestens fünf Morde an Journalisten sind ungelöst, vier davon wurden angeblich von maoistischen Rebellen begangen. Bis heute haben die Maoisten ihr Versprechen, die Mörder nicht zu schützen, nicht eingelöst. Journalisten in Nepal sind nach wie vor mit physischer Gewalt konfrontiert. Am 8. Dezember 2009 wurde eine weibliche Journalistin, Teeka Bista, im westlichen Distrikt von Rukum physisch angegriffen, nachdem sie die UCPN-M in einem Artikel kritisiert hatte. Einem Reporter der in Kathmandu ansässigen Tageszeitung Rajdhani zufolge war sie von maskierten Personen mit Rasierklingen geritzt worden, bevor man sie in den Wald in einem entlegenen Distrikt Nepals warf. Teeka Bista wurde in das Kathmandu-Model-Krankenhaus geflogen und erholte sich gut von ihren schweren Verletzungen.

Menschenrechtsaktivisten sorgten sich auch über die Beförderung von zwei Mitgliedern der UCPN-M innerhalb des lokalen Parteisekretariats im südlichen Distrikt Bara, obwohl diese des Mordes an dem Journalisten Birendra Shah, der am 5. Oktober 2007 umgebracht worden war, verdächtigt wurden.

 

Folter, Vergewaltigungen und Ermordungen durch die Polizei in der Terai-Region

Im Jahr 2009 führten Polizei und Streitkräfte 15 Hinrichtungen durch, die in der südlichen nepalesischen Region Terai unbestraft blieben. Die meisten Toten gehörten zu politischen Gruppen, die Beziehungen zur ethnischen Madeshi-Minderheit, die für Selbstbestimmung kämpft, haben. Die Opfer wurden angeblich während Zusammenstößen zwischen Madeshi-Mitgliedern und Polizisten inhaftiert und auf der Stelle von der Polizei hingerichtet. Die nepalesische Regierung verfolgte die Täter nicht. Dies steigert die Abneigung ethnischer Minderheiten gegenüber der Regierung in Kathmandu nur noch zusätzlich. Das Gefängnissystem der Distrikte Banke, Barda, Dhanusha, Jhapa, Kanchapur, Kapilvastu, Morang, Siraha, Sunsari, Rupandehi und Udayapur ist von Folter geprägt. Mehr als 30 Prozent der interviewten Insassen im Dhanusha-Distrikt sagten aus, sie seien Opfer von Folter; Frauen erzählten, sie seien von den Gefängniswärtern wiederholt sexuell missbraucht worden. Gefangene, die zu der ethnischen Gruppe der Terai gehören, sowie Muslime sind am stärksten betroffen. Der Sonder-Sicherheitsplan, der im Juli 2009 von der Regierung in Kathmandu erlassen wurde, um polizeiliche Gewalt einzudämmen, besonders in der Terai-Region, wurde noch nicht umgesetzt.

 

Tibeter in Nepal

In Nepal leben mehr als 20.000 tibetische Flüchtlinge, hauptsächlich im Kathamandu-Tal und Pokhara in Westnepal. Jedes Jahr fliehen zwischen 2.500 und 3.000 Tibeter aus Tibet und kommen auf ihrem Weg nach Dharamsala, dem Sitz der tibetischen Exil-Regierung, nach Nepal. Während Tibeter, die Nepal vor 1989 erreichten, Anspruch auf eine Flüchtlingsbescheinigung (RC) haben, die ihnen den Aufenthalt im Land erlaubt, leben tausende später Angekommene illegal in Nepal. Nach einer schwerwiegenden antichinesischen Revolte in Tibet 2008 entsandte China hohe offizielle Delegationen, um Nepal zu zwingen, Aktionen für ein freies Tibet auf seinem Boden konsequent einzuschränken. Als Gegenleistung erhöhte China seine finanzielle Unterstützung Nepals.

Die nepalesische Regierung hat auch ihre Sicherheitskräfte an der gemeinsamen Grenze verstärkt und dadurch die Anzahl der Tibeter, die nach Nepal fliehen, auf etwa 700 reduziert. Die neue Einstellung der nepalesischen Regierung gegenüber den tibetischen Flüchtlingen führte zu einem Anstieg der Schikanen, Erpressungen, willkürlichen Festnahmen und Verhaftungen, ungesetzlichen Drohungen, Tibeter nach China zu deportieren, sowie zu einer Einschränkung der Bewegungsfreiheit auf das Kathmandu-Tal. Im Februar 2009, kurz vor dem 50. Jahrestag des tibetischen Aufstands im März, erließ die Bezirksverwaltung von Kathmandu eine Anordnung, die alle Proteste nahe der chinesischen Botschaft und ihres Visum-Büros verbot.

 

Hexenjagden gegen Frauen niedriger Kasten

Aberglaube und auf Kasten basierende Benachteiligung existieren nach wie vor in Nepal. Die meisten Gemeinschaften funktionieren noch immer gemäß patriarchalischen Strukturen. In den vergangenen zwei Jahren dokumentierte das Rehabilitationszentrum für Frauen (WOREC) mindestens 82 Fälle, in denen Frauen von Nachbarn belästigt und gefoltert wurden, weil man sie für "Hexen" hielt. Schätzungen zufolge werden jedes Jahr hunderte Frauen, von denen die meisten Janjati oder Dalit und einige muslimisch sind, belästigt. Doch viele Fälle werden nicht gemeldet, da die Frauen fürchten, von ihren Familien verlassen und aus ihren Gemeinden ausgeschlossen zu werden. Verheiratete Frauen scheinen eher als Hexen beschuldigt zu werden als alleinstehende Frauen. Dies widerspricht dem Glauben, dass Anschuldigungen normalerweise gegen Witwen und unverheiratete Frauen erfolgen. Ebenso widerlegt die Information die vorgefasste Meinung, Frauen seien nach der Heirat "sicher".

Die meisten verheirateten Frauen, die als Hexen angeklagt wurden, sind entweder kinderlos oder haben Ehemänner, die im Ausland leben. Dadurch sind sie verletzbar. Die Täter werden selten zur Rechenschaft gezogen, obwohl das nepalesische Gesetz Gewalt gegen Frauen verbietet und trotz der Ankündigung der Regierung im September 2009, den Entwurf der UN Prinzipien und -Leitlinien zu unterstützen. Dieser war im Mai 2009 vom Menschenrechtsrat veröffentlich worden und soll Kastendiskriminierung auf der Grundlage von Arbeit und Herkunft bekämpfen. Straffreiheit für die Täter herrscht vor allem dann, wenn die Frauen aus Gruppen stammen, die in Nepals Gesellschaftshierarchie einen niedrigen Rang einnehmen.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker ruft die EU und den Menschenrechtsrat dazu auf:

  • die nepalesische Regierung dazu zu bewegen:

  • die Kultur der Straffreiheit zu beenden;

  • eine nachhaltige Bildungskampagne gegen "Hexenjagden” ins Leben zu rufen und alle Täter zur Rechenschaft zu ziehen;

  • ihre Anstrengungen, frühere Maoisten in die nepalesische Gesellschaft einzugliedern, zu verstärken;

  • spezielle Polizei- und Anwaltseinheiten aufzubauen, um Kriegsverbrechen zu untersuchen und zu verfolgen;

  • die Armee anzuweisen, uneingeschränkt mit Untersuchungen zu ihren eigenen Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit zusammenzuarbeiten.

  • die Maoisten dazu zu bewegen:

  • die Autorität von Polizei und Zivilgerichten zu respektieren und vollständig mit Untersuchungen zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu kooperieren;

  • uneingeschränkt bei dem Aufbau und der Arbeit der Entführungskommission zu helfen.