28.03.2009

Evenken in Russland von Staudammbau bedroht

"Die Evenken sind kategorisch gegen den Bau eines riesigen Wasserkraftwerks in ihrem Gebiet. Wenn sich die indigene Bevölkerung so engagiert gegen ein solches Vorhaben einsetzt, sollte die Regierung dies berücksichtigen und von ihren Plänen Abstand nehmen", sagt der Vizepräsident der Dachorganisation der indigenen Gruppen Russlands, RAIPON, Dmitri Bereshkov. Zum Bau eines rund 13 Milliarden US Dollar teuren Wasserkraftwerks mit dem Namen "Evenkische Wasserkraftanlage" soll am unteren Tunguska-Fluss eine Fläche mehr als zehnmal so groß wie New York geflutet werden. 2.000 der noch rund 35.500 evenkischen Rentierzüchter in ganz Russland müssten umgesiedelt werden. Sie können ihr angestammtes Land nicht mehr für ihre traditionelle Lebensweise als Jäger und Rentierzüchter nutzen. Damit ist ihre Existenz gefährdet.

Hartes Leben ohne Perspektiven

Die Evenken gehören zu den in der Russländischen Föderation so genannten kleinen Völkern des Nordens. Sie waren ursprünglich Nomaden und lebten als Fischer, Pelztierjäger und Rentierzüchter. Rentiere sind ihre wichtigste Lebensgrundlage: Sie ernähren sich von ihrem Fleisch, kleiden sich von ihrem Fell und reiten auf ihnen. Bereits in den 1930er Jahren, in der Stalin-Zeit, wurden sie zur Sesshaftigkeit gezwungen. Als sich die Evenken an das Leben in Dörfern gewöhnt hatten, kam der Zusammenbruch der Sowjetunion und damit die Wirtschaftkrise, die den ohnehin schon strukturschwachen Evenkischen Kreis besonders hart getroffen hat. Die Versorgung ist auf sämtlichen Ebenen nicht mehr gewährleistet, die Wirtschaft entwickelt sich nicht. Sie teilen das Schicksal vieler sesshaft gemachter Nomadenvölker: Arbeitslosigkeit und Alkoholismus. Letzterer ist nach Angaben einer Studie der Russischen Akademie der Wissenschaften so drastisch ausgeprägt, dass die Zahl der Ureinwohner in den kommenden Jahren um zwei Drittel sinken könnte. Die Lebenserwartung eines typischen evenkischen Dorfbewohners ist seit 1991 von 50 auf 42 Jahre gesunken.

Für dieses Volk ist es besonders schwer, wieder eine eigene Identität zu entwickeln, denn von den 35.500 Evenken, die es heute schätzungsweise noch gibt, leben nur etwa 8.000 in ihrem autonomen Kreis. Der Rest ist weit über Jakutien, China und die Mongolei verstreut, ein Umstand, der zu einer Isolierung der einzelnen evenkischen Gruppen geführt hat.

Nun wird auch der Lebensraum geraubt

Der Projektplan der russischen Regierung sieht vor, dass eine Million Hektar Wald, welcher auch für den Erhalt der klimatischen Bedingungen über Russland hinaus eine wichtige Rolle spielt, geflutet werden muss. Zusätzlich ist eine Flutung von Gebieten am unteren Tunguska-Fluss vorgesehen, in denen in den 1970er Jahren Atomtests durchgeführt wurden. Die Pläne zum Bau des gigantischen Wasserkraftwerks stammen aus den 1980er Jahren. Am Ende dieser Dekade gelang es unter Michail Gorbatschow und durch das Engagement der ersten russischen Umweltschützer, das Projekt zu stoppen. Dass es nun wieder aktuell ist und gegen den Widerstand der Indigenen durchgesetzt werden soll, macht die autoritäre Politik der russischen Regierung und der staatseigenen Unternehmen, in diesem Fall RusHydro, deutlich.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker unterstützt die Evenken in ihrem Anliegen, den Bau des Dammes zu stoppen, und wendet sich an die zuständigen russischen Behörden. Einen Onlineappell zum Thema finden Sie auf der zentralen Homepage der GfbV unter www.gfbv.de.