07.04.2010

Eskalierende Menschenrechtsverletzungen in der Demokratischen Republik Kongo (DRK)

WRITTEN STATEMENT Kongo

Die Auswirkungen der Militäroffensiven "Kimia II” und "Amani Leo”

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ist sehr besorgt über die dramatischen humanitären und menschenrechtlichen Auswirkungen der Militäroperationen "Kimia II" und "Amani Leo", die von der kongolesischen Armee (FARDC) mit Unterstützung der UN-Friedenstruppe MONUC durchgeführt werden, um die ruandische Hutu-Rebellengruppe FDLR gewaltsam zu entwaffnen.

Seit dem Beginn von "Kimia II" 2009 hat sich der Schutz der Zivilbevölkerung nicht verbessert, vielmehr hat er sich vielerorts verschlechtert. Laut der kongolesischen Interessenskoalition (Congo Advocacy Coalition), einem Netzwerk von 88 lokalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen, haben die Kämpfe im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRK) zum Tod von etwa 1.200 Zivilisten geführt, neben der Zerstörung von Häusern und Eigentum. Darüber hinaus mussten 900.000 Menschen ihre Häuser verlassen und allein in der ersten Jahreshälfte 2009 wurden fast 7.000 Vergewaltigungsfälle gemeldet. Das volle Ausmaß sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt ist unbekannt, doch es ist anzunehmen, dass die gemeldeten Fälle nur einen Bruchteil der tatsächlichen Zahl der Vergewaltigungen ausmachen. Mehr als die Hälfte aller Menschenrechtsverletzungen in der DRK wurde von Mitgliedern der staatlichen Armee sowie von Polizisten begangen, die keine gerichtliche Verfolgung fürchten müssen. Die weit verbreitete Straflosigkeit und die rasche Integration tausender militanter Kämpfer in die Armee haben verheerende Folgen für die Zivilbevölkerung. Die menschlichen Kosten der Militäroperationen überwiegen klar ihren Nutzen.

 

Das gegenwärtige Mandat von MONUC

Hinsichtlich des gegenwärtigen MONUC-Mandats fordert die GfbV eine Ausweitung im Bezug auf die Menschenrechte, da UN-Soldaten aufgrund der problematischen Dualität ihrer Mission von der kongolesischen Bevölkerung nicht als Beschützer, sondern als Täter betrachtet werden. Einerseits fordert das Mandat von den Soldaten, die Zivilbevölkerung zu beschützen, andererseits, die kongolesische Armee zu unterstützen, um die FDLR zu bekämpfen. Aus diesem Grund empfiehlt die GfbV, die UN-Mission zwar weiterzuführen, aber auf eine effektivere Weise. Notwendig sind eine Neuorientierung des Mandats hin zu einem verstärkten Schutz der Menschenrechte sowie mehr Personal und finanzielle Mittel. Als besonders wichtig befinden wir die Handhabung des Umgangs mit FARDC-Soldaten, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt haben. Die Friedenstruppen müssen die Zusammenarbeit mit kongolesischen Armee-Einheiten und Militärführern, die in ernsthafte Verletzungen des humanitären Völkerrechts verwickelt waren, vermeiden. Es werden dringend ausdrückliche Verhaltensregeln für den Umgang mit Tätern von Menschenrechtsverletzungen benötigt.

 

Katastrophale Situation von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten

Repressalien gegen Menschenrechtsaktivisten und Journalisten ereignen sich nach wie vor und haben seit Januar 2009 sogar zugenommen. Die humanitären Akteure werden als Verräter und Dissidenten stigmatisiert. In den letzten Jahren bezahlten mindestens acht von ihnen ihren Kampf für Menschenrechte mit dem Leben. Ihr "Verbrechen" bestand darin, das Ende der Straflosigkeit zu fordern und die illegale Ausbeutung von natürlichen Ressourcen zu kritisieren. Erst kürzlich ist der Studentenvertreter Mbusa Letakamba ohne Spur verschwunden.

Die kongolesische Justiz lässt den Menschenrechtsaktivisten und Journalisten keine Gerechtigkeit widerfahren. Physische Angriffe und Mörder von Menschenrechtsverteidigern bleiben unbestraft. Aktivisten erhalten sogar Todesdrohungen und werden durch die kongolesischen Behörden eingeschüchtert; inhaftierte Menschenrechtler haben über Folterung und Misshandlung im Gefängnis berichtet. Derzeit sind 13 Menschenrechtsaktivisten eingesperrt. Seit Juni 2009 haben sieben Journalisten von Belästigung berichtet. Einer von ihnen, Rocherau Kighoma, wurde eingesperrt. Der Journalist Bruno Koko Chirambaza wurde sogar ermordet; er ist der dritte Journalist, der unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen ist. Übertragungen von Radio France International wurden aus Gründen nationaler Sicherheit ausgesetzt.

 

Notwendige Reform des Sicherheitsbereichs

Um den Demokratisierungsprozess in der DRK voranzutreiben, müssen dringend Reformen im Sicherheits- und Armeebereich hinsichtlich Gerechtigkeit und Verantwortlichkeit durchgeführt werden. Der Sicherheitsbereich litt von Anfang an unter ernsthaften Problemen, die die Fähigkeit der Armee, Menschenrechtsstandards zu respektieren und umzusetzen, beeinflussen. Viele neue FARDC-Soldaten bleiben ihren früheren Kommandanten treu und akzeptieren die neue Führung nicht. Bewaffnete Miliz-Führer und andere Offiziere, die für massive Missbräuche verantwortlich sind, wurden ohne jegliche Überprüfung in die FARDC integriert. Versuche im Rahmen einer Reform des Sicherheitsbereichs, sexuelle Gewalt durch Mitglieder der kongolesischen Armee zukünftig zu verhindern und zu bestrafen, waren unzureichend.

 

Bergbau und Mineralien

Hinsichtlich des Streits um Mineralien hat die UN-Expertengruppe zur DRK darauf hingewiesen, dass bewaffnete Gruppen in der östlichen Region weiter über die Substanzen streiten, sie illegal plündern und von dem Handel mit Columbit-Tantalit (Coltan), Kassiterit (Zinnerz), Wolframit (eine Quelle für Wolfram) und Gold profitieren. Diese Mineralien werden weltweit in industriellen und technischen Produkten, etwa Mobiltelefonen und Laptops, genutzt.

Die meisten Minen werden von der FDLR oder der nationalen kongolesischen Armee kontrolliert und im Zuge dessen als Mittel zur persönlichen Bereicherung missbraucht. Beide Gruppen nutzen die Bevölkerung gleichermaßen aus, beschäftigen Kinderarbeiter, stellen keinerlei Gesundheits- und Sicherheitsstandards sicher und bezahlen extrem niedrige Löhne, während sie selbst bis zu 90 Prozent der Gewinne einstreichen. Die meisten Mineralien werden illegal über Kongos durchlässige Grenzen in die Nachbarländer Ruanda, Uganda und Burundi transportiert.

Jedes Jahr werden etwa 40 Tonnen Gold aus der DRK herausgeschmuggelt. Die meisten Mineralien werden über Uganda nach Dubai geschifft. In Uganda erhält das illegal importierte Gold eine legitime Ausfuhrgenehmigung als Produkt ugandischer Minen, während die legalen Goldminen in ostafrikanischen Ländern jedes Jahr nur eine unbedeutende Goldmenge produzieren. Ugandische Geschäftsmänner haben Beziehungen zu Rebellengruppen in der DRK, für die Goldtausch eine der wichtigsten Einkommensquellen darstellt. Ebenso hat Ruanda Zinnerz im Wert von acht Millionen Dollar produziert, offiziell aber mindestens 30 Millionen Dollar des Minerals exportiert.

Ein wichtiger erster Schritt besteht darin, Minen in Konfliktzonen zu identifizieren und von Importeuren verwandter Mineralprodukte Bescheinigungen darüber zu verlangen, ob ihre Importe Mineralien dieser Minen enthalten oder ob sie "konfliktfrei" sind. Unternehmen auf der ganzen Welt müssen die genauen Quellen ihrer Mineralien angeben. Außerdem sollten sie externe Prüfer beauftragen, um detaillierte Prüfungen ihrer Mineralimporte durchzuführen und sicherzustellen, dass Abgaben legal und transparent an die kongolesischen Behörden gezahlt werden.

 

Forderungen der GfbV an den Un-Menschenrechtsrat:

>li>die Regierung der DRK anmahnen, Straffreiheit zu beenden und die "Null-Toleranz" -Kampagne sowie das Gesetz gegen sexuelle Gewalt umzusetzen;

>li>darauf bestehen, dass der Schwerpunkt des MONUC-Mandats auf dem Schutz der Zivilbevölkerung sowie auf klaren Regelungen bezüglich Verletzern von Menschenrechten unter der FARDC liegt;

>li>die Verleumdung und Einschüchterung von Menschenrechtsaktivisten anprangern und die sofortige Freilassung inhaftierter Menschenrechtler vorantreiben;

>li>die internationale Gemeinschaft dazu auffordern, mehr finanzielle, technische und politische Unterstützung zur Verfügung zu stellen, um den Sicherheitsbereich zu reformieren;

>li>Maßnahmen ergreifen, um die Militärgerichtsbarkeit zu reformieren und einen glaubwürdigen Überprüfungsprozess sicherzustellen;

>li>für ein verlässliches Zertifizierungssystem eintreten, um eine weitere illegale Ausbeutung von Kongos natürlichen Ressourcen zu vermeiden.