31.03.2009

"Es ist noch sehr viel zu tun"

Intensive Gespräche.Die ukrainische Botschafterin Zarudna auf der Präsentation der GfbV-Dschemilew-Festschrift.

Botschafterin Zarudna und Aliye Yasyba auf der Präsentation der Dschemilev-Festschrift (Quelle:Mieste Hotopp-Riecke)

Am 25.3.2009 fand in den Räumen der Gesellschaft für Osteuropaförderung (GOF) in Berlin die öffentliche Präsentation der Festschrift für Mustafa Dschemilew statt. Eingeladen hatten das Institut für Caucasica-, Taurica- und Turkestanstudien (ICATAT) und die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Letztere hatte auf Initiative des krimtatarischen Medschlis die Erstellung der Festschrift zum 65. Geburtstages des Bürgerrechtlers Dschemilew koordiniert und unterstützt.

Die Präsentation der Festschrift wurde mit einer engagierten Festansprache der Botschafterin der Ukraine in Deutschland, Ihrer Exzellenz Natalia Zarudna, eröffnet. Alsdann wurden die Grußbotschaften von Refat Tschubarov, des Vizepräsidenten des Krimatarischen Medschlis und von GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch verlesen, gefolgt von den besten Wünschen des Zentrums für Information und Dokumentation der Krimtataren (CIDCT). Swietlana Czerwonnaja (Torun/Moskau) und Temur Kurshutov (Aqmescit) hielten im Anschluss Kurzreferate zur Person Dschemilews als Akteur der krimtatarischen Nationalbewegung und zur aktuellen sozio-ökonomischen Lage der Tataren auf der Krim. Durch die Feststunde führte Mieste Hotopp-Riecke, Doktorand am Institut für Turkologie und Krim-Koordinator der GfbV, unterstützt vom Präsidenten der GOF, Ildar Kharissov, dem Vorstand von TAMGA e.V., Venera Gerassimov-Vagizova, und der Vertreterin des CIDCT in Deutschland, Aliye Yasyba. Unter den Anwesenden waren Vertreter des Auswärtigen Amtes, des Goetheinstitutes, des Bundes der Ukrainischen Studenten in Deutschland, der Humboldt-Universität und der Freien Universität Berlin, der Vorstand des Tatarisch-Baschkirischen Kulturvereins Deutschland (TBKV), Rais Khalilov, als auch interessierte Berlinerinnen und Berliner. Frau Zarudna machte in ihrem Beitrag deutlich, dass die ukrainische Regierung seit Beginn der Unabhängigkeit der Republik Ukraine viel getan hätte für die repatriierten Krimtataren, Bulgaren, Armenier, Griechen und Deutschen auf der Krim. Jedoch seien zugesagte Kooperationen und finanzielle Beteiligung der anderen GUS-Republiken, vor allem Rußlands, nicht eingehalten worden. Eine intensive Diskussion entzündete sich dann unter anderem um die Themen Grundbesitz/Enteigung und das Bildungswesen. Während Frau Zarudna vor allem hervorhob, wieviel Unterstützung die Ukraine auch in immer wieder kehrenden Krisenzeiten den Krimtataren bei der Beschaffung von Bauland geleistet hätte und dass schon 87 % der krimtatarischen Schüler Zugang zu muttersprachlicher Bildung hätten, übermittelte der Philologe Kurshutov von der Staatlichen Universität für Ingenieurswesen und Pädagogik der Krim (Lehrstuhl für krimtatarische und türkische Literatur) ein anderes Bild: Für alle krimtatarischen Schüler stünden lediglich 14 nationale Schulen zur Verfügung. Dazu kämen zwei fakultative Wochenstunden für krimtatarische Schüler an russischen Schulen. Würde Frau Zarudna auch so positiv berichten, wenn es hieße für ukrainische Schüler stünden nur zwei Wochenstunden für ihre Muttersprache zur Verfügung? Frau Professor Czerwonnaja und Referenten des Auswärtigen Amtes beteiligten sich engagiert an der Diskussion. Perspektiven der Betroffenen, die befürchten bei dem derzeitigen Stand der tatarischen Volksbildung auf der Krim könnte die Sprache in zwei Generationen tot sein, und des Zentrums der Macht in Kiew prallten hier aufeinander. Frau Zarudna betonte jedoch merhmals, daß die eigentlichen ukrainischen Patrioten auf der Krim die Krimtataren seien, die Regierung wisse, dass noch sehr viel Arbeit vor ihr liege.

Mieste Hotopp-Riecke und Aliye Yasyba verwiesen darauf, daß für die Sensibilisierung der Öffentlichkeit und westeuropäischer – aber auch ukrainischer – Politiker für die Probleme der Krimtataren eine enge Kooperation zwischen internationalen Organisationen wie der GfbV und der krimtatarischen Bürgerbewegung unabdingbar sei.