31.05.2006
Erleichterung über Entscheidung des Düsseldorfer Stadtrates <br>"Intellektuelle Unterstützung von Völkermord darf nicht belohnt werden"
Kein Heine-Preis für Handke
Mit Erleichterung hat die Gesellschaft für bedrohte Völker
(GfbV) die Entscheidung der Fraktionen von SPD, FDP und
Grünen im Düsseldorfer Stadtrat aufgenommen, die Vergabe des
Heinrich-Heine-Preises an Peter Handke verhindern zu wollen.
"Es ist unfassbar, dass die intellektuelle Unterstützung von
Völkermord belohnt werden sollte", kritisierte der GfbV-
Generalsekretär Tilman Zülch (z.Zt. Erbil/Kurdistan Irak) am
Mittwoch das Votum der unabhängigen Jury für den
österreichischen Schriftsteller. "Der Skandal ist umso
größer, weil dafür der Name eines der bedeutendsten
deutschen Dichter, des Juden Heinrich Heine, missbraucht
werden sollte."
Gerade in Deutschland hätte man eine feinere Antenne dafür
haben müssen, dass Handkes "Poesie" Opfer zu Tätern und
Täter zu Opfern werden lässt, warf Zülch der Jury aus
Literaturexperten, Mitgliedern des Stadtrates und einem
Vertreter des Landes vor, die Handke mit dem mit 50.000 Euro
dotierten Heine-Preis auszeichnen wollte.
Handke hat sich nach Auffassung der GfbV zum "literarischen
Sekundanten von extremem Chauvinismus, so genannter
ethnischer Säuberung und Völkermord" gemacht, auch weil er
dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag das Recht
abgesprochen habe, über den serbischen Diktator Slobodan
Milosevic und andere zu urteilen.
Schon 1996 hatte die GfbV dem Schriftsteller vorgeworfen,
alle Belege für den Genozid in Bosnien mit 200.000 Toten,
etwa 20.000 vergewaltigten Frauen, mit über 100
Konzentrations- und Internierungslagern sowie 324 bisher
entdeckten Massengräbern zu ignorieren. Die
Menschenrechtsorganisation veröffentlichte damals unter dem
Titel "Die Angst des Dichters vor der Wirklichkeit" 16
Beiträge von Schriftstellern, Journalisten und
Menschenrechtlern**, die mit Empörung auf Handkes
"Winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und
Drina oder Gerechtigkeit für Serbien" reagiert hatten.
"Die jahrelange Einkesselung, Aushungerung und Beschießung
von Zivilisten in bosnischen Städten, von denen einige zur
UN-Schutzzone erklärt worden waren wie Srebrenica, ließen
Handke offenbar kalt", wirft die GfbV dem Schriftsteller
vor. Er hatte nach seiner Rückkehr von seiner "winterlichen
Reise" erklärt: "Der Krieg, den euch die Medien angeblich
abgebildet haben, hat so nur auf eurer Netzhaut
stattgefunden, ihr seid Opfer einer weltweiten
Journalistenverschwörung zum Nachteil der Serben." Die
Einladung der GfbV, mit den überlebenden Opfern des
Völkermordes in Bosnien zu sprechen und Schauplätze der
Massaker zu besuchen, hatte der Schriftsteller abgelehnt.
Eine Podiumsdiskussion im Frankfurter Schauspielhaus mit dem
GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch brach Handke nach den
ersten Minuten aufgebracht ab, weil Zülch von serbischen
Konzentrationslagern in Bosnien gesprochen hatte, mit den
Worten: "Zülch, Du Arschloch, die Diskussion ist beendet."
** Die Angst des Dichters vor der Wirklichkeit, 16 Antworten
auf Peter Handkes Winterreise nach Serbien, Tilman Zülch
(Hg.), Steidl Verlag, Göttingen 1996 mit Beiträgen von Peter
Schneider, Marcel Ophuls, Dzevad Karahasan, Bora Cosic,
Günter Kunert, Wolfram Schütte, Gustav Seibt, Thomas Schmid,
Ralf Caspary, Sonja Biserko, Wilfried F. Schoeller,
Elisabeth von Thadden, Ed Vulliamy und Tilman Zülch.