29.04.2005

Eine zweite Krankenstation für die Yanomami-Indianer

Drei Monate lang – von Januar bis einschließlich März 2001 – hat GfbV-Vorstandsmitglied Christina Haverkamp unter harten Bedingungen bei tropischer Hitze von 37º C und einer Mückenplage gemeinsam mit den Yanomami-Indianern hart gearbeitet. Jetzt sind die Vorbereitungen für den Bau einer zweiten Krankenstation mitten im brasilianischen Regenwald abgeschlossen. Hier ist ihr Bericht:

 

Als ich ausgerüstet mit Sägen, Macheten, Seilen und anderem Werkzeug Anfang Januar im Dorf Papiu am Rio Mucajai eintraf, hatten die Indianer den Platz für die Krankenstation schon ausgesucht. In wenigen Tagen war das 50 x 50 Meter große Waldstück freigeschlagen. Viel mehr Mühe kostete es uns dann, alle Wurzeln zu roden. Anschließend suchten die Yanomami im weiten Umkreis zwölf riesige Urwaldbäume mit besonders widerstandsfähigem Holz aus, die gefällt, in Balken und Bretter gesägt und zum Dorf transportiert wurden. Sand und Steine wurden mit dem Einbaum den Fluss hoch zum Dorf gebracht und dann in Körben zum Bauplatz getragen. Das Holz liegt jetzt zum Trocknen im Wald und unter Planen.

Wochenlang haben täglich über 50 Yanomami die schweren Baumaterialien durch den Urwald geschleppt. Ihre große Motivation und Mitarbeit bei den Vorbereitungen für ihre Krankenstation haben mich sehr beeindruckt. Im Dezember 2001 wollen wir die Station aufbauen. Bis dahin möchte ich in Deutschland weiter auf die Situation dieser Ureinwohner aufmerksam machen.

Dem Chef der Funai - der brasilianischen Indianer-Schutzbehörde - in Roraima wurde die gut funktionierende Arbeit unheimlich, und er fühlte sich durch die direkte Nachbarschaft einer Krankenstation kontrolliert und bedrängt. So zeigte er mich in Boa Vista an, ich würde die Indianer wie Sklaven arbeiten lassen, und sie zwingen Sand und Steine zu schleppen. Schon wurden Vorbereitungen getroffen, mich aus dem Indianergebiet auszufliegen, um das ganze Projekt zu verhindern. Als die Yanomami das hörten, ergriffen sie selbst die Initiative und meldeten der Funai, dass sie sich nicht bevormunden lassen wollten. Sie wollten die Krankenstation und wüssten selbst am besten, wie viel sie schleppen können. Die Vorbereitungen für den Bau konnten weiterlaufen.

 

Im vergangenen Herbst hatte ich mit Diavorträgen über die Yanomami an Schulen und Universitäten um Unterstützung für dieses Projekt geworben. Ich berichtete dabei über unsere erste Krankenstation im Dorf Ixima und die Bitte der Indianer im über 500 Kilometer entfernten Papiu, auch ihnen zu helfen. Viele Schulen organisierten nach dem Vortrag Flohmärkte, Ausstellungen, Projektwochen und Weihnachtskonzerte. Den Erlös spendeten sie für die Yanomami. Das deutsche Medikamenten-Hilfswerk "action medeor" half mit einer Spende für Medikamente und Transportflüge. Die Hilfsorganisation "Médecins du Monde" sagte zu, für zwei Jahre eine Krankenschwester und einen Mikroskopisten zur Verfügung stellen. Sie sollen die Station nach ihrer Fertigstellung betreuen. Die Mitgliedsbeiträge des vor zwei Jahren bei der GfbV gegründeten Yanomami-Freundeskreises sollen u.a. die laufenden Kosten mit absichern.

Die GfbV will keine Hilfsorganisation werden. So soll - wie schon für Ixima - auch für Papiu eine brasilianische Organisation gefunden werden, die unser Projekt nach der Startphase weiterführt. In Ixima hat die Französin Ana Ballester zusammen mit der Organisation "Secoya" inzwischen ein sehr gutes Schulsystem aufgebaut, um Yanomami als Lehrer und medizinische Helfer auszubilden. Es gibt bereits mehrere Indianer, die mit dem Mikroskop arbeiten und Malaria behandeln können.

 

Die Malaria hat sich erst mit den Goldsuchern dramatisch im Yanomami-Gebiet ausgebreitet. Papiu war eines der ersten Dörfer, das diese Garimpeiros seit Mitte der 70-er Jahre besetzten. über eine groß angelegte Landepiste drangen Tausende von ihnen in das Indianer-Gebiet ein. Noch heute sind in Papiu viele Yanomami traumatisiert durch die Invasion. Viele haben Familienangehörige verloren, die an eingeschleppten Krankheiten gestorben sind.

Im Februar 2001 wollte eine Gruppe von Goldsuchern nur eine Stunde Fußmarsch von Papiu entfernt eine bereits zerstörte Landepiste wieder in Betrieb nehmen. Per Funk konnten die Yanomami die Policia Federal alarmieren. Ein Goldsucher wurde festgenommen, sechs weitere entkamen in den Wald. Der Hubschrauberpilot der Policia Federal schätzt die Zahl der Goldsucher im gesamten Yanomami-Gebiet heute auf über 1000. Die Erfahrungen haben es gezeigt: Es werden noch mehr werden, sobald der internationale Druck auf die brasilianische Regierung nachlässt. Nur Öffentlichkeit kann die Yanomami schützen und ihnen helfen, ihr traditionelles Territorium als Schutzgebiet zu bewahren und mit Selbsthilfeprojekten ihre Kultur in der Form zu erhalten, wie sie es möchten.

Die Yanomami in Papiu wissen, dass sie in Deutschland Freunde und Freundinnen haben, die sie unterstützen. Sie möchten sich auf diesem Wege herzlichst bei allen bedanken. Auch ich möchte allen Schülern für ihr Engagement ganz herzlichen Dank aussprechen. Durch die vielen Schulaktionen und die Mitgliedsbeiträge des Freundeskreises ist eine langfristige Unterstützung der Entwicklung zum Selbsthilfeprojekt möglich.

 

Die Krankenstation ist fertig!

Seit wir unsere Bildreportage über die erste Phase der Bauvorbereitungen zur Krankenstation im Internet veröffentlicht haben, hat sich viel getan. Anfang des Jahres 2002 reiste Christina Haverkamp erneut nach Brasilien. Das Bauholz war getrocknet. Nun wollte sie den eigentlichen Bau der Krankenstation organisieren und miterleben. Doch die Indianerbehörde Funai machte ihr einen Strich durch die Rechnung: Sie bekam keine Genehmigung, in das Yanomami-Gebiet zu reisen. Die Krankenstation wurde trotzdem gebaut. Per Sprechfunk überwachte Christina die Bauarbeiten. An Hand von Fotos konnte sie sich ein Bild vom Fortgang der Arbeiten machen. In der Woche vor Ostern teilte sie uns telefonisch mit, dass die Baumaßnahmen nun beendet seien. Nur die Inneneinrichtung fehle noch. Drei Mitarbeiter von medecins du monde seien bereits in das obere Stockwerk eingezogen. Diese internationale Ärzteorganisation wird die Krankenstation zunächst bis Jahresende betreiben. Danach soll sie von der brasilianischen Gesundheitsbehörde FUNASA übernommen werden.

Von dieser neuen Krankenstation, so teilte uns Christina Anfang April per E mail mit, können Yanomami aus den Dörfern Papiu Novo, Wayahomapi, Pakirapiu und Totomapi medizinisch versorgt werden. Sie hat im oberen Stockwerk vier Räume für das Pflegepersonal und eine Lehrerin. Unten sind der Behandlungsraum, ein Labor, eine kleine Apotheke, eine Küche und ein Bad untergebracht. Von dem restlichen Bauholz soll jetzt noch eine Schule gebaut werden.