31.12.2008

Ein couragierter Zeuge des Völkermords und Helfer der Opfer

Zum 150. Geburtstag von Dr. Johannes Lepsius

Das Lepsius-Haus in Potsdam (Quelle:Wikimedia Commons)

Am 15. Dezember 2008 jährte sich der Geburtstag des evangelischen Pfarrers Dr. Johannes Lepsius zum 150. Mal. Aufgrund seines Engagements für die vom osmanischen Genozid betroffenen Armenier gilt er in vielen Ländern als einer der großen Deutschen des 20. Jahrhunderts.

Johannes Lepsius wurde am 15.12. 1858 als Sohn des Begründers der deutschen Ägyptologie, Carl Richard Lepsius, und dessen Frau Elisabeth, geb. Klein, in Berlin geboren. Nach einem Studium der Philosophie und Theologie in München, Greifswald, Berlin und Erlangen ging er zunächst von 1884 bis 1886 als Hilfsprediger und Lehrer an die deutschsprachige evangelische Gemeinde in Jerusalem, wo er seine Frau Margarete kennenlernte. Zurück in Deutschland, wurde er zunächst Pfarrer in der kleine Gemeinde Friesdorf im Harz. 1895 gründete er die "Deutsche Orient-Mission".

Erstes Engagement für Opfer von Pogromen im Osmanischen Reich

Als 1896 Nachrichten von Massakern an Armeniern im von Abdulhamid II. regierten Osmanischen Reich durch evangelisch-pietistische Kreise nach Deutschland überbracht wurden, reiste er 1896, begleitet von dem armenischstämmigen Journalisten James Greenfield, nach Kayseri und Urfa und gründete zusammen mit amerikanischen Missionaren mehrere Waisenhäuser für Opfer der Massaker. Seine Beobachtungen in Ostanatolien veröffentlichte er in dem Buch "Armenien und Europa", das in deutscher, englischer, französischer und russischer Sprache erschien. Um sich ganz der Hilfe für die Armenier widmen zu können, beantragte er bei seiner Kirchenleitung in Magdeburg eine Verlängerung seines Urlaubs. Nach Rücksprache mit dem preußischen Oberkirchenrat wurde seine Bitte abgelehnt. Daraufhin quittierte er den Pfarrdienst und baute von Berlin aus ein Armenisches Hilfswerk auf, das im ganzen Osmanischen Reich, in Persien und Bulgarien tätig wurde. In seinen Kranken- und Waisenhäusern erhielten nicht nur Armenier, sondern auch christliche Syrer, die ebenfalls von Pogromen betroffen waren, und moslemische Türken und Kurden Hilfe. Seine erste Frau, die ihn bei seiner Arbeit sehr unterstützte, starb 1898.

Weil er sich auch politisch für die Armenier betätigte, kam es bald zum Zerwürfnis mit dem Frankfurter Zweig des Hilfswerks unter Ernst Lohmann. 1907 zog die Zentrale des Armenier-Hilfswerks von Berlin nach Potsdam in die Grpße Weinmeisterstraße 45 um, die Villa, in der Lepsius mit seiner zweiten Frau Alice und den Kindern auch lebte, ist heute als "Lepsius-Haus" seinem Andenken gewidmet. Von 1909 bis 1912 versuchte ein von ihm ins Leben gerufenes "Mohammedanisches Seminar", an dem auch armenische Theologen tätig waren, einen Dialog zwischen Christen und Muslimen ins Leben zu rufen. Im Zuge der seit 1912 stattfindenden Verhandlungen über eine Autonomie für die Armenier wurde er, nachdem er von der offiziellen Orientpolitik lange gemieden wurde, an verschiedenen diplomatischen Konferenzen zum Thema beteiligt. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhinderte aber eine friedliche Lösung.

Bericht über den Völkermord im Ersten Welrkrieg

Im Schatten der Kriegshandlungen wurden Pläne zum Völkermord an der armenischen Bevölkerung von den jungtürkischen Machthabern entwickelt und seit 1915 verwirklicht. Der Verbündete Deutschland reagierte einerseits mit diplomatischen Mahnungen, andererseits leisteten mache deutschen Offiziere aktive Mithilfe wie z.B. bei der Belagerung und Eroberung des Armenierviertels in Urfa. Um den osmanischen Befehlshaber Enver Pascha zu beeinflussen, fuhr Lepsius 1915 zu einem Gespräch mit ihm nach Istanbul, Franz Werfel verewigte dieses Gespräch in seinem Roman "Die 40 Tage des Musa Dagh", wobei er sich auf Lepsius' Gesprächsnotizen stützte.

Druck und Vertrieb der Broschüre "Die Lage des armenischen Volkes in der Türkei", in der Lepsius den Völkermord dokumentierte, wurden in Deutschland noch vor dem offiziellen Protest des osmanischen Botschafters verboten. Unter Täuschung der Militärzensur gelang dennoch der Vertrieb von 20.000 Exemplaren, den Lepsius selbst übernahm, weil sich die "Deutsche Orient-Mission" von ihrem Gründer distanziert hatte. Vor möglichen Repressalien floh Lepsius in die Niederlande, von wo aus er sich in der "Vereinigung Gleichgesinnter", u.a. gemeinsam mit Albert Einstein, für einen schnellen Verständigungsfrieden einsetzte.

1917 verlieh ihm die Theologische Fakultät Berlins ausdrücklich für seine Hilfe für die orientalischen Christen ihre Ehrendoktorwürde.

Nach Kriegende stellte er eine Dokumentation des Auswärtigen Amtes über "Deutschland und Armenien 1914-1918" zusammen, die zur wichtigen Quelle des Romans von Franz Werfel über den Genozid wurde. 1921 erschoß der Armenier Soghomon Teilirian den in Berlin lebenden früheren osmanischen Befehlshaber Talaat Pascha, um den Völkermord zu rächen. Nicht zuletzt aufgrund der Aussagen Lepsius' wurde der Attentäter freigesprochen, was weltweites Aufsehen erregte. Das von Lepsius gegründete Hilfswerk arbeitete in neutralen Staaten, in Zusammenarbeit mit dem Völkerbund zugunsten der Armenier weiter und verhalf zusammen mit dem ersten Flüchtlingskommissar des Völkerbunds, Fritjof Nansen, vielen Armeniern zu einer neuen Heimat unter den Arabern in Syrien. Lepsius, der in London, Paris, beim Völkerbund und unter den exilierten Armeniern weiterhin höchstes Ansehen genoß, verstarb am 3. Februar 1926 in Meran.

Literatur: Hermann Goltz u.a., Dr. Johannes Lepsius (1858-1926); Der Potsdamer Anwalt und Helfer des armenischen Volkes. ISBN 39808-355-0-2, Potsdam 2002