24.01.2013

Editorial

Sandy Naake, Redakteurin der GfbV-Zeitschrift, Foto: Privat

Aus bedrohte völker_pogrom 273, 5/2012

Von Sandy Naake

Liebe Leserinnen und Leser,

„Tötet nicht die Bäume, macht nicht das Wasser unserer Flüsse trübe. Reißt nicht die Eingeweide unserer Erde auf. […] Eines Tages wird die Erde weinen, sie wird um ihr Leben flehen. […] Ihr werdet die Wahl haben, ihr zu helfen oder sie sterben zu lassen, und wenn sie stirbt, sterbt ihr auch“, sagte zu Beginn des 19. Jahrhunderts Keokuk, Häuptling der Sauk, ein indianischer Stamm im Nordosten der USA. Diese Worte wurden vor mehr als 200 Jahren gesprochen. Sie haben jedoch nicht an Aktualität und Brisanz verloren. Der Kampf um „Mutter Erde“ und ihre kostbaren Bodenschätze hat längst begonnen. Vor allem in Rückzugsgebieten indigener Gemeinschaft en entdecken Wirtschaft und Industrie wertvolle Ressourcen. Die Motive der Landnahme, des „Landraubs“, sind sehr unterschiedlich. So pachten Staaten in anderen Ländern landwirtschaftliche Nutzflächen, um die Ernährung der eigenen Bevölkerung sicherzustellen. Bergbau-Unternehmen fördern Gold, Silber, Seltene Erden und andere Metalle für die Verarbeitung in der Technologie- und Elektronikbranche. Große Konzerne bauen auf Großplantagen Zuckerrohr und Ölpalmen an, um Biotreibstoffe zu produzieren. Die Folgen für Mensch und Umwelt sind meist verheerend. Weltweit werden Familien, ja ganze Volksgruppen vertrieben, um Land für profitable Zwecke nutzen zu können. Viele Staaten „sorgen vor“ und siedeln die Vertriebenen in neuen „Modelldörfern“ an. Auf dem „Dach der Welt“ entstehen momentan mehr als 25.000 Häuser für Tibets Nomaden. In Brasilien leben die Kaiowá-Guarani unter elenden Bedingungen in einfachen Zelten an der Straße, nachdem sie vertrieben worden sind. Äthiopiens Regierung „profitiert“ von einem britischen Entwicklungsprogramm, um den Bau „neuer“ Dörfer zu finanzieren. Sei es in Asien, Südamerika oder Afrika – die Konsequenzen für die vielen vertriebenen Gemeinschaften ähneln sich. Die Menschen werden „entwurzelt“ und „ihrer Erde“ beraubt, die sie über Jahrhunderte hinweg nachhaltig bewirtschaft et haben. Der Verlust ihrer Existenzgrundlage ist gleichzusetzen mit dem Verlust von Tradition und Identität. Denn viele Völker sind untrennbar mit dem Land verbunden. Seit 2006 bereits leben mehr als 1,4 Millionen tibetische Nomaden in betonierten Ghettos. Die Enge der Häuser und fehlende Perspektiven treibt viele in den Alkoholismus. In Brasilien haben rund 170 Kaiowá-Guarani ihren Selbstmord angekündigt. Sie ziehen es vor, lieber zu sterben und auf ihrem Land beerdigt zu werden, als es verlassen zu müssen. Jedoch nicht alle Betroffenen resignieren. Viele suchen sich Partner wie Nichtregierungsorganisationen, um ihre Rechte bei Staat und Justiz durchzusetzen. Die Folgen des Landraubs und des Abbaus wertvoller Ressourcen für Menschen und Natur haben in den vergangenen Jahren ungeahnte Ausmaße angenommen. Selbst wenn der Hunger von Industrie und Wirtschaft nach den Schätzen der Erde ein Ende haben sollte, würde es Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte dauern, bis sich die zerstörte Umwelt erholt. Ein Medizinmann der Lakota sagte einst: „Frieden wird in die Herzen der Menschen kommen, wenn sie ihre Einheit mit dem Universum erkennen.“

Ihre Sandy Naake

Redakteurin von

„bedrohte Völker – pogrom“

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