22.04.2005

Ecuador/Huaorani: Kinder des Erdöls

Die Kinder der Huaorani-Indianer in Kawymeno sind immer bereit, ein Foto von sich knipsen zu lassen. Kawymeno liegt etwa 30 Kilometer südöstlich von Tiputini in der Provinz Orellana im äußersten Osten Ecuadors. Die Kameras verwundern die Kinder ebenso wenig wie der Hubschrauber, der beinahe wöchentlich am Dorfrand landet. Seit rund drei Jahren sind die Besuche der Leute von Petroecuador, der staatlichen Erdölfirma, normal geworden in Kawymeno. Und nicht nur sie kommen seither. Manager anderer Erdölfirmen, Touristen, Forscher, Priester und jetzt auch Journalisten verirren sich immer öfter in das Herz des Nationalparks Yasuní.

Der im Jahr 1999 ausgewiesene Park ist 982.000 Hektar groß, wobei 71 Prozent seiner Fläche von der Regierung als unantastbar definiert worden sind. Dass es nicht 100 Prozent geworden sind, liegt vor allem am Erdöl. Bereits in den 1960er Jahren entdeckten amerikanische Erdölfirmen im Territorium der Huaorani das schwarze Gold. Allein Texaco hat seit 1967 eine Milliarde Tonnen Rohöl aus dem Regenwald gepumpt und dabei rund 65 Millionen Liter in den Urwald verschüttet. 600 wilde Ölseen hinterließen die Amerikaner, als sie 1992 aus dem Gebiet abzogen. Ihre Förderlizenzen verkauften sie an andere Ölgesellschaften – darunter Petroecuador –, die in ähnlichem Stil nun die Restausbeutung vorantreiben. Texaco wurde von einem US-Gericht zu einer Strafe von 1,5 Milliarden US-Dollar verurteilt. 200 der Ölseen wurden daraufhin beseitigt. Die übrigen 400 Ölseen verseuchen bis heute das Grundwasser und den Lebensraum der Indianer.

Diesmal steigen neben den Managern von Petroecuador noch einige Journalisten aus dem Hubschrauber. Kai, der Bürgermeister der 56 Familien umfassenden Gemeinschaft Kawymeno, empfängt die Männer. Im Dorf passiert nichts ohne sein Einverständnis: Wer kommt, wer geht, wer wie lange bleibt – das entscheidet Kai. Die Fremden dürfen heute eine Stunde bleiben.

Inzwischen spielen die Kinder mit ein paar Murmeln auf der Dorfwiese, während die Größeren einem Lederball nachjagen. Die meisten von ihnen tragen Jeans und Hemden, dazu ein paar ausgelatschte Turnschuhe. Zwei der jungen Männer arbeiten auf den Ölfeldern von Ishpingo. Sie verdienten dort zwar nicht recht viel, es sei aber besser als gar nichts, meinen sie. Außerdem gebe es im Dorf mittlerweile Radio, TV-Geräte und sogar Satellitenschüsseln – ohne Erdöl ein Ding der Unmöglichkeit. Dazu steht seit Kurzem gleich neben der Dorfwiese ein Dach aus Metall, darunter lugt ein Spielfeld aus Beton hervor. Wenn es regnet, sollen die Kinder hier Fußball und Basketball spielen.

Kawymeno ist nur eine der 202 Gemeinschaften der Huaorani, von denen man nach wie vor nicht genau weiß, wie viele es gibt. Schätzungen über die Stammesstärke bewegen sich zwischen 1.500 und 2.000 Personen. Sie bewohnen ein Gebiet von etwa 20.000 km2, von denen ihnen im Jahr 1990 nach langen Auseinandersetzungen von der Regierung 6.125 km2 als eine Art "Homeland" überlassen wurden. Allerdings gehört ihnen nur das Land oberhalb der Erde; die unter Tage liegenden Bodenschätze, wie das reichlich vorhandene Erdöl, aber auch Gold, sind weiterhin im Besitz des Staates Ecuador. Gegen deren Ausbeutung sind die Huaorani rechtlich quasi machtlos, da das Gesetz sagt, dass Widerstand gegen die Ölförderung den Verlust des Homelands bedeute.

Das Problem liegt auf der Hand: Bodenschätze aus der Erde können erst entnommen werden, nachdem das Land darüber zerstört worden ist.

Und auch hier gibt es Verlockendes: Das Holz der Zeder wird nämlich in den Industriestaaten sehr geschätzt; ihre Abholzung ist zwar verboten, trotzdem machen einige Firmen davor nicht halt. Es wird geschätzt, dass sie allein im Amazonasgebiet Ecuadors seit 1993 rund 10.000 km2 entwaldet haben. Dabei kamen ihnen die Straßen, die für die Erdölföderung errichtet worden waren, sehr zugute. Davon besonders betroffen sind vor allem die Territorien der indigenen Tagairi und Taromenane- Gruppen der Huaorani.

Immer tiefer dringen die Motorsägen der Holzarbeiter in den Regenwald ein, der wertvolle Rohstoff wird über Kolumbien abgesetzt. Bezeichnend ist, dass es sehr oft einzelne Huaorani-Indianer sind, die die illegale Ausbeutung unterstützen, indem sie den Arbeitern den Weg weisen und sich dafür mit ein paar lumpigen Dollar bezahlen lassen. Die Regierung ist spätestens seit einem Jahr, als fünf Holzarbeiter, aufgespießt von den Speeren der Tagairi, tot aufgefunden wurden, über das illegale Treiben im Regenwald informiert. Trotzdem sieht sie untätig zu.

Kai, der Bürgermeister, empfängt die Journalisten mit seiner weißen Schildkappe, die den Schriftzug von Pérez Companc trägt, einer Erdölfirma aus Argentinien. Sie spendierte das Spielfeld aus Beton und das Dach aus Metall. Kai spricht zwar nur ein paar Brocken Spanisch, doch die reichen, um zu verstehen, was ihm die Manager von Petroecuador heute anbieten: den Bau von zwei Häusern im Dorf als Entschädigung für die Bohrung bei der neuen Ölförderanlage Ishpingo 3, die direkt im Huaorani-Gebiet liegt. Daneben soll eine Schreinerei im Dorf auf Kosten der Erdölfirma eingerichtet werden.

Nach kurzer Beratung mit seinem Sohn Yakata stimmt der Bürgermeister dem Deal zu. Immerhin war er besser als jener, den die italienische ENI/Agip einer benachbarten Gemeinschaft für die Förderrechte in ihrem Siedlungsgebiet gemacht hatte: Der Konzern kaufte die Rechte für zwei Zentner Reis, 25 Hefte, 25 Bleistifte, einen Fußball aus Leder und eine ecuadorianische Flagge.

Helfer und Helfershelfer

Im Sommer 2003 nimmt die 1,1 Milliarden US-Dollar teure Schwerölpipeline ihren Dienst auf. Finanziert wird das Projekt von einem Konsortium aus 16 Banken. Angeführt wird der Verbund von der westdeutschen Landesbank, WestLB, die den Löwenanteil des 900 Millionen US-Dollar-Kredites trägt.

Die OCP ist neben der 1972 fertiggestellten Sote (390.000 Barrel) und der in die kolumbianische Hafenstadt führenden Transandino-Pipeline (45.000 Barrel) die dritte Öleitung, mit der Öl aus Lago Agrio verschifft wird. Die Kapazität der OCP liegt bei 450.000 Barrel. Künftig wird sie Schweröl transportieren, während die Sote nur noch für die Verschiffung von Leichtöl verwendet wird. Diese Trennung – bisher pumpt Petroecuador ein Gemisch aus beiden Sorten durch die Sote – erhöht nach OCP-Angaben die Kapazität der alten Sote um bis zu 70.000 Barrel. Somit erhöht sich die gesamte Transportkapazität aller drei Pipelines von 435.000 Barrel auf bis zu 955.000 Barrel.

Eine ausführliche Dokumentation findet sich unter www.globalaware.org