01.10.2005

Die unerträgliche Lage der Buschleute in Botswana

Präsident Mogae sieht San als Menschen zweiter Klasse

Seit 30.000 Jahren leben die Buschleute in der Kalahari. Als Jäger und Sammler haben sie ein friedliches Leben führen können. Die ersten Gefahren für ihre Traditionen begegneten ihnen, als vor etwa 1.500 Jahren die ersten Viehnomaden in ihr Heimatgebiet eindrangen und ebenfalls Nahrung und Land beanspruchten. Die weit größere Gefahr stellte jedoch die Kolonisation dar. Nur unter großen Entbehrungen konnten sich die San noch behaupten. Den endgültigen Exodus plant nun aber die Regierung Botswanas für die wenigen noch auf ihrem Staatsgebiet verbliebenen Ureinwohner. Seit fast 20 Jahren versuchen die Regierenden, die seit Mitte der sechziger Jahre auf dem extra für sie geschaffenen Kalahari-Wildpark (Central Kalahari Game Reserve) lebenden Menschen zu vertreiben. Das erste bekannte Ureinwohnervolk Südwestafrikas steht kurz vor der endgültigen Auslöschung. Von den einst über 50.000 im Reservat lebenden San waren nur etwa 2.200 übrig, als ihnen im Februar 2002 Wasser und Elektrizität abgestellt wurden. Die Vertriebenen wurden in 63 Umsiedlerdörfern untergebracht und werden mit Gewalt von einer Rückkehr abgehalten. Heute sind lediglich noch etwa 200-250 Buschleute im Reservat ansässig.

Der neueste Schlag – wohl der Versuch der endgültigen Auflösung des Reservats – wurde im Sommer unternommen: Alle noch verbliebenen Bewohner wurden aufgefordert, das Reservat innerhalb von zehn Tagen zu verlassen. Wer sich weigert, muss mit Gewaltanwendung durch die bereits entsandten Polizeikräfte rechnen. In den letzten Wochen kam es bereits vermehrt zu gewaltsamen Zusammenstößen. Vorläufiger Höhepunkt war nun am letzten Septemberwochenende die Festnahme einer 28-köpfigen Gruppe der Buschleute durch botswanische Sicherheitskräfte. Diese hatte versucht auf ihr angestammtes Land und den letzten dort lebenden San zu gelangen. In der Gruppe befanden sich neben führenden Mitgliedern der San-Organisation "First People of the Kalahari" auch sieben Kinder. Die San wollten auf die Unterdrückung der Ureinwohner im Reservat aufmerksam machen. Sieben Kinder, die sich unter den Verhafteten befanden, wurden später freigelassen.

Diese erneuten Repressionen gegen die San erfolgen während eines seit drei Jahren anhängigen Gerichtsprozesses der Ureinwohner gegen Vertreibungen durch die Regierung. Hintergrund für die geplante Vertreibung aus dem in den sechziger Jahren eingerichteten Reservat in dem zwischen Südafrika, Namibia und Simbabwe gelegenen Staat, ist die beabsichtigte Ausbeutung der dortigen Diamantenvorkommens. Neben den Belastungen, die die San sowieso schon zu tragen haben, müssen sie sich so auch noch um die Finanzierung eines unnötig in die Länge gezogenen Gerichtsprozesses kümmern.

Unerträglich ist die Rücksichtslosigkeit der Machthaber. Der botswanische Präsident Festus Gontebanye Mogae lässt keinen Zweifel daran, dass San für ihn Menschen "zweiter Klasse" sind. So ist eine Verfassungsänderung geplant, die den Schutz der Buschleute aufheben soll. Im vergangenen Jahr wurde ein Hilfsangebot der Europäischen Union für die indigenen Völker über 14 Millionen Euro abgelehnt. Die Parole lautet ganz klar: "Wir brauchen keine Hilfe und Einmischung von den Europäern." Motiv für diese Menschenrechte verachtende Politik sind die Diamantenvorkommen auf dem Reservatsgebiet und nicht die von der Regierung vorgeschobene Begründung der Reservatschließung wegen einer ansteckenden Haustierkrankheit. Diese ist nach Expertenmeinung fadenscheinig. Die Gier nach Profiten aus dem Edelsteingeschäft lässt keinen Raum für die Menschenrechte der Ureinwohner. So hat die Regierung bereits über 30 Schürflizenzen vergeben und gemeinsam mit dem Diamantenkonzern De Beers über 32 Millionen Euro für Bohranlagen investiert.

Seine traditionellen Lebensweisen hatte das Jäger- und Sammlervolk ohnehin schon aufgeben müssen. Mehrfach wurden Buschleute wegen Jagens verhaftet. Immer wieder werden Ureinwohner von Wildparkaufsehern bedroht, durch Schüsse eingeschüchtert und geschlagen.

Viele der Stammesmitglieder verzweifeln ob dieses Identitätsverlustes und der Repressionen der Regierung. Sie leiden an Verarmung oder geben sich dem Alkoholismus und Depressionen hin. Um diese skandalösen Zustände zu verheimlichen, erhalten Journalisten von den Wildparkaufsehern die unmissverständliche Aufforderung zum Verlassen des Reservats. Außerdem werden sie in ihrer Arbeit beeinträchtigt, eingeschüchtert und letztlich von bewaffneten Einheiten aus dem Gebiet gebracht. Zudem wird auch die San-Organisation "First People of the Kalahari" systematisch davon abgehalten mit ihrem Volk Kontakt aufzunehmen.

Für alle Buschleute gilt: Ein Festhalten an den überlieferten Traditionen ist aufgrund rigider Gesetzesvorschriften nicht mehr möglich. Die orientierungslosen Menschen geben sich resigniert dem Alkohol und Depressionen hin. Hinzu kommt ein weiteres unkontrollierbares Problem: unter anderem durch Prostitution ist eine zunehmende Zahl von Aids-Infizierungen innerhalb des Lagers zu verzeichnen.

Wenn es überhaupt noch eine Rettung für die San geben kann, dann muss jetzt schnell gehandelt werden. Deshalb appelliert die Gesellschaft für bedrohte Völker an die Regierung Botswanas und die internationale Staatengemeinschaft, dem Exodus der San ein Ende zu setzen.

Präsident Mogae sieht San als Menschen zweiter Klasse

Für die Regierung Botswanas zählt im Zusammenhang mit der Vertreibung der San nur das Gebiet, auf dem sie leben. Rücksichtslos gehen sie gegen die Ureinwohner vor, um an die dort vermuteten Bodenschätze zu gelangen und neue Tourismusprojekte zu starten. Der botswanische Präsident Festus Gontebanye Mogae lässt keinen Zweifel daran, dass San für ihn Menschen "zweiter Klasse" sind. So ist eine Verfassungsänderung geplant, die den Schutz der Buschleute aufheben soll. Im vergangenen Jahr wurde ein Hilfsangebot der Europäischen Union über 14 Millionen Euro zum Erhalt des Reservats und zur Versorgung der verbliebenen Bevölkerung abgelehnt. Auch vorgeschobene Begründungen, wie eine Seuche unter den Ziegen der San, eine Gefahr, die von Experten eindeutig als nicht existent eingestuft wurde, sind dem Präsidenten und seiner Gefolgschaft nicht zu billig, um weitere Vertreibungsmaßnahmen einzuleiten. Die Gier nach Profiten aus dem Edelstein- und dem Tourismusgeschäft lässt keinen Raum für die Menschenrechte der Ureinwohner.

Botswanas Behörden begründen die Umsiedlung mit einer angestrebten Verbesserung der Lebensbedingungen der Urbevölkerung. Die Siedlungen in der Kalahari seien zu klein, um sie angemessen mit sozialen Einrichtungen und Infrastruktur zu versorgen. Doch tatsächlich warten die meisten umgesiedelten San bis heute vergeblich auf eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen in den Umsiedler-Lagern. Die Buschleute verstehen nicht, warum sie in der Kalahari nicht jagen dürfen, während die Behörden weiterhin Jagdkonzessionen an professionelle Jagdveranstalter vergeben. Auch fragen die San, warum in jedem Tourismusprospekt mit Bildern von ihnen gezielt geworben wird, wenn die Regierung andererseits erkläre, ihr Lebensstil sei überholt und unwürdig. So empfinden sich die Ureinwohner als diskriminiert und nicht anerkannt.

Um die vorherrschende brutale Gewalt nicht nach außen dringen zu lassen, sind Verweise von ausländischen Journalisten an der Tagesordnung. Das Gebiet wird systematisch abgeriegelt. Reporter werden befragt, eingeschüchtert und in ihrer Arbeit beeinträchtigt. Schließlich werden sie von bewaffneten Einheiten aus dem Gebiet gebracht. Selbst die Funkgeräte der San-Organisation "First People of the Kalahari" sind konfisziert worden. Zwischen den Buschleuten und ihren Vertretern ist somit keine Kommunikation mehr möglich. Ein Volk wird vertrieben und ausgelöscht ohne dass es die Welt erfährt.

Nur noch 100.000 San leben in sechs Ländern im Süden Afrikas

Das Hauptsiedlungsgebiet der San erstreckt sich über sechs Länder im südlichen Afrika. Von den früher mehreren Millionen Buschleuten sind heute nur noch etwa 100.000 übrig geblieben. Davon lebt der größte Teil mit etwa 49.000 Menschen in Botswana. In Namibia gibt es noch etwa 38.000, in Angola 6.000, in Südafrika 4.500, in Sambia 1.600 und in Simbabwe circa 1.200 Angehörige des ersten Volkes, das sich vor etwa 30.000 Jahren im Süden Afrikas ansiedelte. Die San Botswanas sind seit Mitte der achtziger Jahre nach und nach aus dem ihnen in den sechziger Jahren zugewiesenen, 52.800 Quadratkilometer großen "Central Kalahari Game Reserve" vertrieben – im offiziellen Wortlaut "umgesiedelt" – worden und leben jetzt auf 63 Umsiedlerdörfer verteilt im Umland des Reservats. Vor den Vertreibungsmaßnahmen im Jahre 2002 lebten noch etwa 2.200 San in der Kalahari. Dann wurde ihnen Strom und Wasser abgestellt und durch weitere Repressionen das Leben erschwert. Im Wildpark konnten sich nur 30 Buschleute widersetzen und blieben. Einige kehrten in der Folgezeit zurück. So sind es momentan etwa 200-250 Buschleute, die noch unter katastrophalen Bedingungen auf ihrem Heimatland leben. Dort leiden sie unter ihrer Entwurzelung und müssen viele Repressionen dulden. Eine offizielle Begründung für die Vertreibung lautet, die Versorgung der Ureinwohner verursachte zu hohe Kosten. Diese liegt jedoch lediglich bei 3 Euro pro Person für eine Woche. Ein haltloses Argument vor dem Hintergrund der Ablehnung einer 14 Millionen Hilfszahlung der EU, die durch die Regierung abgelehnt wurde. Zudem stellte es für die Regierung kein Problem dar, für Probebohrungen gemeinsam mit dem Diamantenkonzern De Beers 32 Millionen Euro zu investieren.