21.09.2004

Die Station am Rio Mavaca im Süden Venezuelas wurde im Februar 2005 mit einem großen Fest eingeweiht

Eine Krankenstation für die Yanomami auch in Venezuela

Krankenhaus im Regenwald Foto: C. Haverkamp

Die Projektleiterin Christina Haverkamp erinnert sich: "Anfang 2003 erhielt ich einen Anruf aus Venezuela von dem Arzt Dr. Neuro Galban, der seit über 2 Jahren bei den Yanomami im Orinokogebiet in Venezuela arbeitet. Er hatte unsere Krankenstation in Brasilien im Amazonasgebiet von Papiu besucht und bat mich um Unterstützung für die Yanomami im Quellgebiet des Orinoko. In diesem 80.000 qm großen Gebiet im Süden Venezuelas leben 15 000 Yanomami, von denen nur 20% Zugang zur medizinischen Versorgung haben. Viele Yanomami leiden an Malaria, Onkozerkose, Flussblindheit, Lungenentzündungen und anderen Infektionskrankheiten.

Nach mehrwöchigen Recherchen vor Ort und vielen Gesprächen mit den Yanomami im Orinoco-Gebiet entschieden wir uns für den Bau einer Krankenstation an dem sehr abgelegenen Fluss Mavaca. Hier leben über 800 Yanomami-Indianer in 6 traditionellen Runddörfern ohne medizinische Versorgung

Nach vielen Dia-Vorträgen an Schulen in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen und Bayern organisierten viele Schülergruppen Spendenaktionen und Benefizveranstaltungen für die neue Yanomami-Krankenstation. Dir Lotterie Bingo!Die Umweltlotterie (Schleswig Holstein) und die Gesellschaft für bedrohte Völker sagten ihre Unterstützung für den Bau der Station zu. So konnten Anfang 2004 die Vorbereitungen für den Bau des Projektes, für das wir die Genehmigungen des Gesundheitsministeriums (MSDS) und der Umweltbehörde in Caracas bekommen hatten, beginnen.

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Baubeginn

Zunächst musste das Baumaterial für die Krankenstation angeschafft und zum Bauplatz verfrachtet werden. Über 4000 Bausteine, 500 Säcke Zement, Fliesen, Dachmaterial, Rohre, Kabel, Werkzeuge, Nägel und Schrauben wurden in Maracay, Valencia und Puerto Ayacucho eingekauft. In Caracas besorgte ich für die Krankenstation Solarpanele von Siemens mit Lampen und Batterien. Das Multiband-Sprechfunkgerät von Yaesu für die Krankenstation hatte ich bereits in Brasilien angeschafft, da es in Venezuela nirgendwo erhältlich war. Da die Landepiste von Ocamo im Yanomami-Gebiet nach den heftigen Regengüssen der letzten Monate sehr beschädigt war, mussten wir jetzt den mühsameren Weg mit Transportbooten von Puerto Ayacucho bis nach Mavaquita benutzen, um das Material an den Bauplatz zu bringen. Pro Weg dauert das mindestens eine Woche.

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Durchführung des Projektes

Ein Hauptprinzip meiner Projektarbeit ist, dass die Yanomami-Indianer von Beginn an beim Bau mithelfen müssen. Schon bei den Versammlungen in den 6 Dörfern hatten sie ihre Mitarbeit zugesichert. Frühmorgens um fünf bereitete der Koch Jesus Silva das Frühstück für die Männer vor. Um 6 Uhr ging es an die Arbeit. Um 10 Uhr stieg die Temperatur bereits auf über 40 Grad.

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Nach zwei Stunden Mittagspause wurde dann bis um 17 Uhr weitergearbeitet. Zusammen mit den Yanomami rodeten die Arbeiter, die ich angeheuert hatte, den Bauplatz für die Krankenstation. Viele schwere Steine machten diese Arbeit zur Qual. Yanomami-Frauen und Kinder halfen beim Ausgraben der Baumwurzeln und schweren Findlinge. Für ein festes Fundament waren mehrere Kubikmeter groben und feinen Sand und Steine notwendig. In langen Holzkanus holten die Yanomami tonnenweise Sand von einer Sandbank, die sich durch die Trockenzeit im Flussbett des Mavacas gebildete hatte. Die Yanomami-Männer schaufelten den Sand in die Kanus, während die Frauen vom Ufer den Sand in ihren Körben wie die Ameisen zum Bauplatz hoch schleppten.

Nach den Erdarbeiten und dem Verlegen der Wasserrohre begannen die Arbeiter mit dem Gerüstbau für das Dach. Die Dachkonstruktion wurde mit 15 cm dicken Eisenträger zusammengeschweißt. Das Hochziehen der Wände ging durch die gemeinschaftliche Arbeit relativ schnell. Die Yanomami mischten den Zement und die Arbeiter mauerten die Wände nach Bauplan hoch. Während der Bauarbeiten versorgten uns die Yanomami tagtäglich mit Fleisch oder Fisch. Jeden Morgen kamen sie frohgelaunt zum Bau und boten ihre Hilfe an

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Als ich kurz vor Weihnachten in Puerto Ayacucho die Einrichtung für die Krankenstation besorgen wollte, bekam ich plötzlich hohes Fieber, starke Gelenkschmerzen und Schüttelfrost. Nach einer Blutuntersuchung im Tropeninstitut CAICET wurde bei mir Malaria Vivax festgestellt. Zwei Wochen dauerte die Behandlung.

Einweihungsfest und Übergabe an das Gesundheitsministerium (MSDS)

Am 17. Januar 2005 kehrte ich zusammen mit drei neuen Arbeitern aus Ayacucho nach Mavaquita zurück, wo wir bis zum Einweihungsfest die restlichen Mal- und Verputzarbeiten erledigten und die Krankenstation komplett einrichteten. Das Gesundheitsministerium schickte nicht nur die ersten Medikamente und medizinischen Instrumente nach Mavaquita, sondern auch wie versprochen eine junge Ärztin, Adriana Falco, die gerade ihr Medizinstudium in Caracas abgeschlossen hatte.

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Schon vor dem Einweihungsfest begann Adriana mit den ersten Behandlungen. Morgens um halb 8 warteten bereits 20 Patienten überwiegend Mütter mit ihren Säuglingen. In der ersten Woche mussten wir 5 Patienten mit Malaria behandeln. Zwei Yanomami-Kinder hätten ohne uns keine Überlebenschance gehabt.

Unsere Solaranlage, der Strom-Generator für alle Fälle und die Wasserpumpe wurden angeschlossen. Alles funktionierte. Für die Yanomami, die technisch sehr interessiert sind, war es ein kleines Wunder als zum ersten Mal die Wasserpumpe das Flusswasser in den hochgelegenen 1000 Liter-Tank zur Station pumpte und die Solarlampen nachts die Krankenstation hell erleuchteten.

Alle freuten sich, dass der Bau der Krankenstation vor der immer näher rückenden Regenzeit rechtzeitig fertiggestellt war. Zum großen Einweihungsfest wurden die besten Jäger auf die Jagd geschickt. Am nächsten Morgen kehrten sie mit voller Kanuladung Wild zurück. Ein großes Tapir, ein Wildschwein und einige Krokodile hatten sie erlegt. Es kamen über 300 Yanomami zum Einweihungsfest. Die Salesianer Missionare von Ocamo, Mavaca und Platanal waren mit ihren Booten angereist, auch Ärzte und Vertreter des Gesundheitsministeriums aus La Esmeralda und Puerto Ayacucho.

Alle Yanomami-Häuptlinge der Nachbardörfer bedankten sich herzlichst in ihren Reden für die Krankenstation und für die Unterstützung bei den Spendern aus Alemania. Es war ein buntes und fröhliches Fest. Der alte Schamane Turema als Vertreter der traditionellen Medizin von Mavaquita und Dr. Adriana Falco als Vertreterin der modernen Medizin schnitten gemeinsam das rote Band vor dem Eingang der Krankenstation durch und weihten sie damit ein. Pater Eduardo aus Platanal gab der Krankenstation seinen gottesreichen Segen

Während des Einweihungsfestes übergab ich die Krankenstation offiziell dem Vertreter des Gesundheitsministeriums José Antonio Kelly in Form einer Geschenkurkunde mit der Bedingung, die Krankenstation ständig mit einer Ärztin oder Krankenschwester zu besetzen und rechtzeitig für Medikamenten-Nachschub zu sorgen.

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Das Einweihungsfest war für mich gleichzeitig der letzte Tag bei den Yanomami. Es war ein bewegender Abschied.