29.01.2010

Die GfbV fordert Kontingentlösung für 10.000 unter uns lebende Roma-Flüchtlinge!

Moralische Konsequenz von Auschwitz

"Aus Erinnern kommt Haltung: 65 Jahre nach der Befreiung des KZ´s in Auschwitz ist Deutschland eine politische Haltung erwachsen, geprägt von Ernsthaftigkeit, Berechenbarkeit und Prinzipienfestigkeit ... stellt sich die Frage, ob die Erinnerung an Auschwitz nicht längst hineingewachsen ist in die größere Dimension einer moralisch historischen Verpflichtung aller Politik ... Zur-Geschichte-Werden eines Verbrechens, das nicht vergeht, fragte sich, ob aus ihm eine spezielle Politik herzuleiten ist ..." ZEIT ONLINE, 27.01.2010, 11:56 Uhr von Hermann Rudolph.

 

"Im Dritten Reich galten wir Juden als Untermenschen. Die Zigeuner werden noch heute als Untermenschen zwar nicht offen bezeichnet, aber empfunden und behandelt". Prof. Ernst Tugendhat, Philosoph.

 

Die Gesellschaft für bedrohte Völker fordert Kontingentlösung für 10.000 unter uns lebende Roma-Flüchtlinge!

 

Anknüpfend an den Appell von Schimon Peres "Nie Wieder - Nie wieder eine Rassenlehre", macht die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) einen Tag nach dem Holocaust Gedenktag auf die rassistische Verfolgung von 10.000 nur geduldeten Roma-Flüchtlingen und ihren deutschensprachigen Kindern aus dem Kosovo aufmerksam. Sie erinnert an das uns verpflichtende Schicksal der 21.000 Menschen im Zigeuner-Lager von Auschwitz- Birkenau.

 

"Mit Entsetzen und Abscheu verfolgen wir die systematische Erniedrigung und menschenunwürdige Behandlung dieser Roma-Flüchtlinge durch viele deutsche Ausländerbehörden, viele Gerichte und die meisten Innenminister", sagte der GfbV-Bundesvorsitzende Tilman Zülch heute in Göttingen. "Von den 150.000 Angehörigen der farbigen Gemeinschaft der Roma wurden 1999 unter den Augen der NATO und somit auch deutscher Soldaten nach deren Einmarsch 120.000 Roma von befreiten Albanern aus dem Lande gejagt, 70 ihrer 75 Siedlungen und Stadtteile zerstört. Roma wurden misshandelt, gefoltert, entführt, ermordet oder vertrieben."

 

Jetzt würden von Woche zu Woche Kinder, Frauen und Männer der 10.000 nur geduldeten Kosovo-Roma oft bei Nacht und Nebel abgeschoben. Dabei würden nicht selten Ehemänner von ihren Frauen, Eltern von Kindern, Kinder von ihren Geschwistern getrennt. Kinder, Kranke und Alte würden deportiert, aus Abschiebungen mache man freiwillige Rückkehr. "Man erfindet Heilungs- und Behandlungsmöglichkeiten, die es für Angehörige dieser Minderheit nicht gibt", kritisierte Zülch. "Zugleich hatte man über ein Jahrzehnt lang die Arbeitsaufnahme verhindert, die Bewegungsfreiheit auf den jeweiligen Landkreis eingeschränkt und die berufliche Weiterbildung untersagt."

 

Abgeschobene Zwangsrückkehrer vegetieren in Behelfsunterkünften aus Plastik oder Holz. Sie werden mit einer Arbeitslosigkeit im Kosovo von 90 % konfrontiert. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Kinder oder ältere Menschen bei der jetzt herrschenden Winterkälte krank werden oder sterben.

 

"Wir fordern die deutsche Politik auf, diese 10.000 Angehörigen der farbigen Minderheit der Roma im Rahmen der Vergangenheitsbewältigung ebenso als Kontingent aufzunehmen, wie die Bundesrepublik 200.000 jüdische Bürger aus der ehemaligen Sowjetunion als Konsequenz aus dem Holocaust und 2,5 Millionen Russlanddeutsche als Konsequenz des Stalin-Hitler-Pakts und des Genozids des sowjetischen Diktators aufgenommen hat", sagte Zülch. "Deshalb fordert unsere Menschenrechtsorganisation als Konsequenz der Vernichtung von hunderttausenden Sinti und Roma ein Bleiberecht für das Kontingent der 10.000 Roma."

 

Fast 35 Jahre hatte es gedauert, bis die fortdauernde und unbeachtet gebliebene Unterdrückung und Verfolgung der Sinti und Roma in Westdeutschland von der GfbV 1979 bis Mitte der 1980-er Jahre bekannt gemacht, die Wiedereinbürgerung von Tausenden durchgesetzt, Bundeskanzler Schmidt und Bundespräsident Carstens zur Anerkennung dieses Teils des Holocausts bewegt und eine erste Rentenwiedergutmachung erwirkt worden war. Diese Initiativen wurden von Persönlichkeiten wie Simon Wiesenthal, Indira Gandhi und Simone Veil unterstützt. In diesem Zusammenhang wurde auch der Zentralrat deutscher Sinti und Roma gegründet.

 

Tilman Zülch ist für Nachfragen zu erreichen unter politik@gfbv.de