24.05.2006

Die Europäische Union und die USA

Mehr gefordert:

Oft stand die deutsche Bundesregierung bei ihren Bemühungen um ein Ende des Mordens allein in der EU. Zwar zeigten sich alle europäischen Staaten betroffen von den Verbrechen und verabschiedeten zahlreiche gemeinsame Erklärungen, in denen sie die Menschenrechtsverletzungen in Darfur verurteilten. Doch außer leeren Drohungen folgte nichts. Den von der EU ernannten Sondergesandten gelang es nicht, die unterschiedlichen Interessen der EU-Staaten zu bündeln und in eine glaubwürdige gemeinsame Darfur-Politik einfließen zu lassen. Statt massiv Druck auf die sudanesische Regierung auszuüben und wirksame Sanktionen gegen die Verantwortlichen des Genozids durchzusetzen, lassen sich die Europäer vom sudanesischen Regierung hinhalten und verfolgen ihre Partikularinteressen. Weil die EU keine stringente gemeinsame Politik in der Darfur-Frage verfolgt, wird sie weder vom Sudan noch von der internationalen Gemeinschaft besonders ernst genommen.

Wie wenig glaubwürdig die EU-Politik gegenüber dem Sudan ist, macht der Umgang der Europäer mit dem Sudan-Waffenembargo deutlich. Bereits am 15. März 1994 hatte die EU ein Waffenembargo gegen alle Konfliktparteien im Sudan verhängt. Im Januar 2004 wurde es verlängert. Im September 2005 teilte die EU-Kommission jedoch mit, sie sei nicht in der Lage, die Einhaltung des Embargos zu überwachen. Rüstungsfirmen aus Großbritannien, Irland, Frankreich und Polen verletzten mehrfach das Embargo.

Sowohl Frankreich als auch Großbritannien hielten immer wieder schützend ihre Hand über das Unrechtsregime el Bashirs in Khartum. Während der britischen EU-Präsidentschaft im Herbst 2005 verkündete Premierminister Tony Blair sogar einen Fünf-Punkte-Plan für Darfur, der der sudanesischen Führung erneut mehrere Monate Zeitgewinn bis zur versprochenen Entwaffnung der Janjaweed-Milizen verschaffte.

Menschenrechtsorganisationen haben seit dem Beginn des Genozids mehr als 9.000 Seiten detaillierter Menschenrechtsreporte zur katastrophalen Lage im Westen des Sudan veröffentlicht. So fehlt es bei den europäischen Regierungen nicht am Wissen über die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die in Darfur begangen werden. Aber es gibt offensichtlich keinen politischen Willen, den gesamten politischen und wirtschaftlichen Einfluss Europas auch in der arabischen Welt zu nutzen, um den Genozid in Darfur zu beenden.

Die USA verurteilten als einziger Staat zwar öffentlich das Morden in Darfur als Völkermord, obwohl auch die US-Außenpolitik gegenüber dem Sudan sehr zwiespältig ist. Washington schwankt zwischen einer wirksamen Bekämpfung des Genozids und einer intensiveren Kooperation mit den sudanesischen Sicherheitsbehörden beim weltweiten Antiterror-Kampf. So wird die US-Regierung zwar nicht müde, öffentlich ein Ende des Genozids einzufordern und setzt sich auch im Weltsicherheitsrat aktiv für ein robusteres Mandat von Friedenstruppen in Darfur ein.

Viele US-Bürgerrechtsorganisationen drängen ihre Regierung zu einem größeren Engagement für Frieden und Menschenrechte in Darfur. Rund eine Milliarde Dollar haben die USA für humanitäre Hilfe für Darfur ausgegeben. Kein anderer Staat der Welt hat soviel aufgebracht. Doch trotzdem hat der "Kampf gegen den Terror" für die US-Regierung Vorrang vor Menschenrechtsfragen. 2005 ließ der US-Geheimdienst CIA den gefürchteten Chef des sudanesischen Geheimdienstes und Koordinator der Vertreibungspolitik in Darfur, Saleh Gosh, zu einem Gespräch über die Terrororganisation El Kaida in die USA einfliegen. Dies war kein "Ausrutscher", sondern Teil der Doppelzüngigkeit amerikanischer Außenpolitik. Denn trotz massiver Kritik in den US-Medien an den CIA-Kontakten zu Gosh lud die stellvertretende US-Außenministerin Jendayi E. Frazer den stellvertretenden sudanesischen Außenminister Ali Ahmed Karti am 12. Mai 2006 zu einem Gespräch ins US-Außenministerium ein. Karti wird von Menschenrechtlern der Mitschuld an den Völkermordverbrechen in Darfur beschuldigt, weil er vor seiner Ernennung zum Vizeminister Chef der paramilitärischen Popular Defense Forces war, die gemeinsam mit den Janjaweed-Milizen Dörfer überfielen, Menschen vertrieben und ermordeten. Im Gegensatz zu dem sudanesischen Geheimdienstchef erschien Karti jedoch nicht zu dem verabredeten Gesprächstermin.