22.06.2007

Die deutsch-polnische Versöhnung sollte nicht weiter beschädigt werden!

OFFENER BRIEF an den polnischen Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

 

Sie sollten die deutsch-polnische Aussöhnung nicht weiter durch extreme Erklärungen beschädigen. Der Respekt vor den Opfern des NS-Regimes sollte Ihnen Übertreibungen und Instrumentalisierungen für durchsichtige politische Interessen verbieten. Sonst könnten Ihnen deutsche Politiker entgegenhalten, dass Polen heute elf Millionen Bürgerinnen und Bürger mehr haben könnte, hätten sich nicht auch polnische Kreise, Behörden und Militärs an der Vertreibung, Vernichtung und dem Rückkehrverbot der Ostdeutschen und der langjährigen Diskriminierung der Zurückgebliebenen und später Ausgesiedelten beteiligt.

 

Verbrechen darf man aber grundsätzlich nicht gegeneinander aufrechnen. Die Millionen jüdischen und polnischen Opfer des nationalsozialistischen Deutschlands dürfen nie vergessen, tabuisiert oder verdrängt werden. Doch Vergangenheitsbewältigung und Versöhnung sollten keine "Einbahnstraße" sein. Voraussetzung für echte Versöhnung ist die Anerkennung und die Verurteilung aller Untaten.

 

Mit freundlichen Grüßen

gez. Tilman Zülch

Generalsekretär

 

Anmerkung:

 

"Auf keinem Auge blind" ist eine der Leitlinien der Arbeit der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Dazu gehört auch Vergangenheitsbewältigung, weil sie unerlässliche Voraussetzung für das Engagement gegen heutige Menschenrechtsverletzungen ist. So hat die GfbV z.B. in den 70-er Jahren in Deutschland die Anerkennung des Holocausts an den Sinti und Roma durch den damaligen Bundeskanzler und den Bundespräsidenten durchgesetzt. Die GfbV hat aber auch die Verbrechen des Stalinismus, unter denen auch das polnische Volk zwei Mal - vor und nach den Nazi-Verbrechen - gelitten hat, bekannt gemacht.