02.08.2005

Die Antworten der Parteien

Wahlprüfsteine der Gesellschaft für bedrohte Völker

Göttingen
Mit sechs "Wahlprüfsteinen" zu besonders drängenden Menschenrechtsthemen forderte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die für die Bundestagswahl kandidierenden Politikerinnen und Politiker aller Parteien dazu auf darüber zu informieren, was sie zur Lösung dieser Probleme beitragen wollen.

Als internationale Menschenrechtsorganisation mit beratendem Status beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen und mitwirkendem Status beim Europarat sind wir davon überzeugt, dass deutsche Interessensvertretung als politisches Pogramm allein nicht ausreicht. Ungelöst können schwelende Konflikte zu einem Flächenbrand werden, der kaum noch zu löschen ist. Terrorismus, der uns alle bedroht, kann die Folge sein. Deutschland kann entscheidend zum Schutz von Minderheiten und Ureinwohnergemeinschaften beitragen und mithelfen, Konflikte zu entschärfen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verhindern und Völkermord sowie Vertreibungen zu beenden.

Wir hatten Sie gebeten, unsere "Prüfsteine" herunterzuladen und sie den Bundestagskandidatinnen und –kandidaten in ihrem Wahlkreis mit der Bitte um Beantwortung vorzulegen.

Die Politikerinnen und Politiker forderten wir dazu auf, Ihre Antworten öffentlich zu machen und sie uns außerdem mitzuteilen:

1. Tibet braucht Unterstützung!

In seiner Tibetresolution vom 20. Juli 1996 hat der Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, sich für einen glaubwürdigen Dialog zwischen dem Dalai Lama und der chinesischen Führung einzusetzen und sich gegen die planmäßige massive Ansiedlung von Chinesen in Tibet auszusprechen. Seitdem ist nichts geschehen. Die Zeit drängt, denn nur der inzwischen 70 Jahre alte Dalai Lama kann einen gewaltlosen Weg für eine gemeinsame Zukunft Tibets und Chinas garantieren.

Wir fragten:

Was werden Sie für die Beendigung der kulturellen und religiösen Unterdrückung und Verfolgung der Tibeter tun?

Hier die Antwort der Parteien|>

2. China bedroht Taiwan!

Die totalitär regierte Großmacht China bedroht das kleine demokratische Taiwan. Mit dem Anti-Abspaltungsgesetz ermächtigte Chinas Parlament das Regime, auch militärisch gegen Taiwan vorzugehen. Zur gleichen Zeit machte sich Bundeskanzler Gerhard Schröder zum Anwalt Pekings: Er sprach sich vehement für die Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China aus und bekräftigte seine Einstellung, obwohl sich Bundestag und Europäisches Parlament um den Frieden zwischen China und Taiwan sorgten und die Kanzlerinitiative ablehnten.

Wir fragten:

Was wollen Sie tun, damit das bitter notwendige Waffenembarge der Europäischen Union gegen China aufrecht erhalten bleibt?

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3. Tschetschenien stirbt!

Völkermord ist das schlimmste Verbrechen, zu dem Menschen fähig sind. In Tschetschenien – am Rande Europas – wurde von 1994 bis heute jeder Fünfte Opfer von Genozid. Unter den 200.000 Toten sind 50.000 Kinder und Jugendliche, schätzt die Gesellschaft für bedrohte Völker. Täglich verschwinden Zivilisten spurlos, werden gefoltert und getötet. Zehntausende sind kriegsverletzt. Viele können nicht ausreichend versorgt werden. Jetzt weitet sich der Krieg auf die Nachbarregionen aus.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die Tschetschenien-Politik des befreundeten russischen Präsidenten Wladimir Putin vorbehaltlos unterstützt: Er entsandte eine Delegation des BND in die tschetschenische Hauptstadt Grosny, nachdem sie dem Erdboden gleichgemacht worden war. Bundeswehr und russische Armee vereinbarten gemeinsame Übungsmanöver, und ein mutmaßlicher Kriegsverbrecher begleitete den russischen Präsidenten im Frühjahr 2005 zur Messe nach Hannover.

Wir fragten:

Welche Initiativen werden Sie für die Wiederherstellung des Friedens in Tschetschenien entwickeln? Welche Maßnahmen könnte Deutschland ergreifen, um die Verfolgungen und Morde in Tschetschenien zu beenden?

Hier die Antwort der Parteien|>

4. Darfur ist die Hölle auf Erden!

Die Provinz Darfur im Westen des Sudan ist die Hölle auf Erden. Massaker, Flucht, Hunger und Krankheiten haben dort bereits bis zu 400.000 Opfer gefordert. Das ist Völkermord. Die arabischen Janjaweed-Reitermilizen töten und vertreiben die schwarzafrikanische muslimische Bevölkerung. 2.000 Dörfer gingen schon in Flammen auf, viele Brunnen wurden vergiftet. Die 2,5 Millionen Vertriebenen sind selbst in den Flüchtlingslagern nicht sicher. Gegen diesen Genozid hat die Bundesregierung zwar protestiert, doch das Sterben geht täglich weiter.

Viele Politiker haben es sehr bedauert, dem Völkermord in Ruanda 1994 tatenlos zugesehen zu haben, durch den fast eine Million Menschen sterben mussten.

Wir fragten:

Was wollen Sie tun, um nun den Genozid in Darfur im Westen des Sudan endlich zu beenden?

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5. Ein Hilfsprogramm für Srebrenica!

Zehn Jahre nach dem Massaker von Srebrenica gedachte die Welt am 11. Juli 2005 der 8.106 namentlich bekannten bosnischen Jungen und Männer, die 1995 den serbischen Truppen zum Opfer gefallen sind. Etwa 6.500 Ermordete wurden bisher aus Massengräbern exhumiert, 2.000 von ihnen identifiziert und auf dem Friedhof der Gedenkstätte beigesetzt. Als Vertriebene wurden die Hinterbliebenen über die Welt zerstreut. Tausende leben bis heute in Flüchtlingsquartieren in Bosnien. Die ersten 3.000 Überlebenden sind in die verelendete, von der Welt vergessene Stadt Srebrenica zurückgekehrt. Sie stehen meist vor den Ruinen ihrer zerstörten Häuser.

Die Überlebenden des Massakers von Srebrenica fühlen sich von aller Welt verlassen. Sie brauchen dringend Unterstützung.

Wir fragen:

Was werden Sie tun, damit für Srebrenica umgehend ein internationales Hilfsprogramm beschlossen wird, für das auch die zukünftige Bundesregierung Finanzmittel zur Verfügung stellt?

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6. Bleiberecht für langjährig geduldete Flüchtlinge!

Zweihunderttausend Flüchtlinge mit unsicherem Aufenthaltsstatus leben mindestens seit fünf Jahren, oft jedoch schon ein bis zwei Jahrzehnte in Deutschland: Ihnen wurden zwar Duldungen erteilt, doch diese sind nur wenige Monate gültig und müssen immer wieder verlängert werden. Dieser Aufenthaltsstatus macht sie rechtlos; er verbietet ihnen in der Regel die Arbeitsaufnahme und eine weiterführende Ausbildung ihrer Kinder. Dennoch sprechen die Kinder dieser Flüchtlinge Deutsch de facto als Muttersprache. Sie haben hier Wurzeln geschlagen, sind Teil unserer Gesellschaft geworden und vielfach erfolgreich auf unseren Schulen.

Der Beschluss der Innenministerkonferenz, Flüchtlinge aus diesem Kreis in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken, ist unmenschlich. Den Kindern, die hier in Deutschland geboren wurden, sind diese Länder nicht nur völlig fremd. Es sind auch Staaten darunter, die Krisengebiete sind. Zudem droht in Deutschland eine demographische Katastrophe. Denn hier werden zu wenige Kinder geboren.

Wir fragten:

Was wollen Sie tun, damit die Flüchtlingskinder und ihre Eltern in Deutschland bleiben können?

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