13.07.2007

Die aktuelle Lage der Mongolen in China

Hirten sollen sesshaft werden

Mongolische Reiter - Foto: M. Karlstetter

Angelina Jolie und andere Hollywood-Stars wurden bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin 2007 nicht ausgezeichnet, sondern unbekannte Viehhirten und Laiendarsteller aus der Inneren Mongolei, einer der großen Minderheitenregionen Chinas. Sie spielten in dem chinesischen Film "Tuyas Hochzeit" mit, der den "Goldenen Bär" bekam. Der Film fängt in großartigen Bildern das traditionelle Nomadenleben in der Inneren Mongolei ein. Regisseur Wang Quan’an entschloss sich zu den Dreharbeiten, als er davon hörte, dass die Industrialisierung die Nomaden immer mehr verdrängt und die chinesischen Behörden die Mongolen zwingen, ihr Hirtenleben aufzugeben. Mit dem Film wollte er diese alte Kultur festhalten, bevor sie ganz verschwindet.

Tatsächlich ist die Nomadenkultur heute massiv bedroht. Seit dem Jahr 2001 haben die chinesischen Behörden 650.000 Nomaden und Halbnomaden in Städten und Dörfern angesiedelt. Begründet wird diese Zwangsmassnahme mit dem zunehmenden Vordringen der Wüste in der Inneren Mongolei.

 

Siedler fördern Wüstenbildung

Nach offiziellen Schätzungen dehnen sich die Wüsten in China jedes Jahr um 3.500 Quadratkilometer aus. Rund 400 Millionen Menschen sind von den vorrückenden Wüsten in der Volksrepublik bedroht. 81% der Fläche der Inneren Mongolei hätten sich bereits in Wüsten verwandelt, beklagen chinesische Offizielle. Doch mit keiner Silbe erwähnen sie, dass für die "Verwüstung" vor allem die staatlich geförderte intensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Region verantwortlich ist, die von eingewanderten chinesischen Siedlern seit den 60er Jahren betrieben wird. Lebten 1949 nur 200.000 Angehörige der chinesischen Han-Mehrheitsbevölkerung in dem Gebiet, so sind heute fast 80% der 24 Millionen Bewohner der Inneren Mongolei eingewanderte Han. Die chinesischen Siedler sollten die strategisch bedeutsame Region für China sichern und die vier Millionen Mongolen zu einer bedeutungslosen Minderheit in ihrer eigenen Heimat machen. Die Felder dieser Siedler und verfehlte Aufforstungsprojekte ließen die Grundwasserreserven weiter schrumpfen.

 

Nomaden werden zwangsweise umgesiedelt

Doch offiziell werden nur die Nomaden für die ökologische Katastrophe verantwortlich gemacht. Ihr Vieh habe das Weideland zerstört, heißt es in Erklärungen der Behörden. Daher müssten die Nomaden nun ihre "veraltete" Wirtschaftsweise aufgeben und dauerhaft in Städten und Dörfern angesiedelt werden. Nur so könne man ihren Lebensstandard erhöhen und eine bessere Versorgung der Bevölkerung gewährleisten.

Erste Planungen für die Umsiedlungen begannen im November 1998. Im Juli 2001 wurde offiziell das große "ökologische Umsiedlungsprojekt" von der Provinzregierung der Autonomen Region Innere Mongolei beschlossen. Mindestens 180.000 Nomaden und Halbnomaden, deren Vertreter in dem Entscheidungsprozess nicht berücksichtigt wurden, sollten gemäß diesem Plan in Städten angesiedelt und weitere 470.000 in neuen Dörfern zusammengefasst werden. In weiten Teilen der Inneren Mongolei wurde es verboten, Viehherden grasen zu lassen. Nomaden, die eine kleine Entschädigung erhalten wollten, mussten sich verpflichten, vorerst nicht mehr auf ihr traditionelles Land zurückzukehren. Nur in Einzelfällen kann eine Rückkehr nach fünf Jahren gestattet werden. Wer Widerstand oder Protest gegen die Sesshaftmachung äußert, muss mit Haftstrafen rechnen. Öffentliche Kritik an dem umstrittenen Projekt wird unterdrückt. So wurden mehrfach Internetseiten mongolischer Bürgerrechtsorganisationen geschlossen, die zu Protesten gegen das Projekt aufriefen.

Viele Umsiedler beklagen, dass sich ihre Versorgung in den neuen Dörfern nicht verbessert hat. Im Gegenteil, viele von ihnen sind durch die Vertreibung noch weiter verarmt. Die von den Behörden versprochene bessere Versorgung mit Krankenhäusern, Schulen und anderen sozialen Einrichtungen ist oft nur Wunschtraum geblieben.

 

Regierung will Mongolen assimilieren

Das Umsiedlungsprogramm fördert die Assimilierung und Sinisierung der mongolischen Minderheit, die seit Jahrzehnten systematisch von den chinesischen Behörden betrieben wird. Mit dieser Zwangsesshaftmachung verlieren die Mongolen nicht nur ihre Landrechte, sondern noch viel mehr: Wie bei allen indigenen Völker ist ihre Kultur eng mit dem Land ihrer Ahnen verknüpft. Ein Verlust dieses Landes bedeutet für sie zum einen, dass sie ihre traditionelle Lebens- und Wirtschaftsweise aufgeben müssen. Zum anderen wird auch ihre Identität zerstört und ihre Jahrhunderte alte Kultur vernichtet.