27.04.2005

Das EU-Minderheitenbüro Eblul ist geschlossen - weil "das Geld fehlt"

Ausgehungert

Die Homepage funktioniert nicht mehr, an das Büro abgesandte Mails kehren unbeantwortet zurück, das Telefon ist selten besetzt. Nur dann und wann wird Präsenz manifestiert. Entlassene Mitarbeiter des European Bureau for lesser used languages (Eblul) wollen ehrenamtlich weitermachen, bis ins nächste Jahr hinein. Dann, so hoffen sie, wird die EU-Kommission wieder spendabler sein. Bis dahin wollen sie durchhalten, im Eblul-Büro in Brüssel, das von der französischen Gemeinschaft Belgiens kostenlos zur Verfügung gestellt wird.

Die GfbV-Südtirol machte im Sommer mit einer Presseerklärung auf die bevorstehende Schließung des Minderheitenbüros und des Nachrichtendienstes "Eurolang" aufmerksam. Die Südtiroler Sektion schlug Alarm, der die Betroffenen aufschreckte. Nach Gesprächen mit EU-Funktionären kündigte die Eblul-Führung an, das Konzept zu reformieren. Das Büro soll schmäler werden, mit weniger Personal und Geld auskommen. Eine Million Euro jährlich erhielt das Büro von der Kommission. Lächerlich wenig Geld, das die EU aus ihrem Riesenhaushalt für Sprachminderheiten zur Verfügung stellt. Das Spar-Argument ist nur ein Vorwand, ein Vorwand sind auch angebliche Spannungen zwischen dem ehemaligen Eblul-Generalsekretär Markus Warasin und den acht Mitarbeitern. Warasin kündigte frühzeitig, seine Mitarbeiter wurden entlassen.

Gleich vier Finanzanträge des Büros wurden von der Kommission abgelehnt. Begründung: Das Eblul sei verschuldet. Außerdem seien die Anträge zu spät eingereicht worden. Die falschen Abgabetermine wurden von der zuständigen Kommissionfunktionärin vorgegeben.

Hintergrund der Schließung des Büros sind offenbar die Aktivitäten der Organisation in Griechenland und Spanien. Von beiden Staaten hatte es scharfe Kritik an der Tätigkeit gegeben. So brandmarkte im vergangenen Jahr ein konservativer griechischer Europaparlamentarier in mehreren Schreiben an die EU-Kommission die Tätigkeit des Büros als "separatistisch". Auf Initiative von Warasin wurde ein griechisches Eblul-Komitee gegründet – in Zusammenarbeit mit griechischen Mazedoniern, die es laut nationalistischen Griechen gar nicht gibt. Der zuständige Kulturreferent der spanischen Region Navarra, in der eine kleine baskische Minderheit lebt, bezeichnete das Eblul-Engagement für die Zweisprachigkeit in Navarra als ETA-freundlich. Das Eblul terroristisch, weil es gegen Sprachverbot ist? Es ist die Logik von Franco, die noch lebt.

Angeeckt ist das Eblul auch bei der EU-Kommission und bei den EU-Regierungen. Das Lobbying im EU-Verfassungskonvent für die Anerkennung der Minderheiten in der Verfassung ging offenbar zu weit. Die Kommission nutzte deshalb die Chance, über die Verweigerung der Finanzierung das Büro abzuwürgen. Es gibt nämlich keine eigene Haushaltslinie, deshalb musste das Büro seinen täglichen Betrieb durch Projektförderung absichern.

Während Langzeit-Präsident Brezigar nur zurückhaltend Kritik übte, äußerte sich der Vorsitzende von Eblul-Dänemark, Gösta Toft, kritisch über die mangelhafte Finanzierung der europäischen Minderheiten durch die EU-Kommission. Sie steht in keinem Verhältnis zur zahlenmäßigen Bedeutung der Volksgruppen.

Die Kritik der GfbV-Südtirol blieb nicht ohne Echo. Die Jugend Europäischer Volksgruppen bedauerte die Schließung des Büros und auch das Aus des Nachrichtendienstes "Eurolang". Die JEV geht – wie die GfbV – von einer Strafaktion aus. Eblul-Generalsekretär Warasin verwies laut JEV immer wieder auf Missstände in einigen westeuropäischen Staaten und intervenierte hörbar. Die Schließung war offenbar die Folge der Kritik: Das Eblul wird mundtot gemacht, den Minderheiten ein Sprachrohr genommen – die EU-Kommission im Dienste des Chauvinismus. Die JEV fordert die EU-Kommission auf, die Mittelkürzungen unverzüglich zurückzunehmen. Die Schließung des Eblul-Büros und der Nachrichtenagentur Eurolang zeigt einmal mehr, so die JEV in einer Stellungnahme, dass eine unabhängige Interessensvertretung dringend notwendig ist. In der "Flensburger Erklärung" fordert die Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen (FUEV) die EU-Kommission auf, den Minderheitenschutz mehr zu berücksichtigen. Die FUEV bedauert, dass die EU-Kommission keine Zuständigkeit für Fragen der nationalen Minderheiten festgelegt habe, und fordert die Kommission auf, den in zahlreichen EU-Dokumenten erklärten Minderheitenschutz auch umzusetzen: Die Achtung und der Schutz der Minderheiten dürften nicht nur bei den Verhandlungen mit den neuen Beitrittskandidaten zur Sprache kommen. Auch soll das bereits mehrfach angekündigte Programm für weniger gebräuchliche Sprachen und Kulturen verabschiedet und umgesetzt werden. Ein Kommissar soll schließlich für die Koordination der sprachlichen, kulturellen und rechtlichen Belange der nationalen Minderheiten verantwortlich gemacht werden.