14.05.2006

Das Alaska National Wildlife Refuge ist in Gefahr - Die Gwich’in Indianer brauchen unsere Unterstützung!

Der Ort, an dem alles Leben beginnt"

Göttingen
Dem erbitterten Widerstand vor allem der 7000 Gwich’in-Indianer ist zu verdanken, dass das Alaska National Wildlife Refuge (ANWR) noch nicht für die Ölindustrie geopfert wurde.

Ihre traditionelle Lebensweise ist eng mit der etwa 152.000 Tiere großen Porcupine-Karibuherde verknüpft. Präsident Bush will durch die Erschließung heimischer Ölquellen von Importen aus "Schurkenstaaten" unabhängig werden. Er hat dies zur Frage der nationalen Sicherheit erklärt. Doch dafür ist das Ölvorkommen im ANWR viel zu klein. Auch würde es noch ca. 10 Jahre dauern, bis der erste Tropfen Öl an US-amerikanische Zapfsäulen gelangen würde.

"Wir Gwich’in sind Menschen des Karibus", sagt Sarah James, Sprecherin der Gwich’in. "Die Pocupine-Herde ist Teil unserer Sprache, unserer Lieder und Geschichten." Die Heimat der Gwich’in sind 15 Dörfer, die südlich des Bergmassivs der Brooks Range entlang des Wanderwegs der Porcupine Herde im Nordosten Alaskas und Nordwesten Kanadas liegen. Der Gwich’in Darius Kassi sagt: "Unser ganzes Leben dreht sich um das Karibu. Es gibt uns mehr als 80 Prozent unserer Nahrung." Die Gwich’in verwerten Fleisch und Fett der Tiere als Nahrung, Fell und Leder für Kleidung und Schuhe, Knochen und Sehnen für die Herstellung von Gebrauchsgegenständen. Das Karibu prägt auch ihre Weltsicht, ihre Spiritualität. Sie sind davon überzeugt, dass in jedem Karibu ein Teil vom Herzen eines Menschen schlägt und umgekehrt ein wenig Karibu in jedem Menschen ist. Alles, was die Porcupine Herde in Gefahr bringt, ist daher auch eine Bedrohung der Gwich’in.

Der Ort, an dem das Leben beginnt ...

Für die Ölförderung erschlossen werden soll das so genannte Gebiet 1002, das mitten im ANWR liegt und in dem die Kälbchen der Karibus zur Welt kommen. Dort gibt es das beste Futter und wenig Raubtiere, die Jagd auf die Jungtiere machen. Hier an der Küste finden sie Schutz vor den quälenden Insektenschwärmen. Den Gwich’in ist dieses Gebiet heilig.

Sie nennen es "Izhik Gwats’an Gwandaii Goodlit" – "Ort, an dem alles Leben beginnt".

Das Karibu gibt ihnen Leben. Es ist nicht nur die einzige erschwingliche Nahrungsquelle – durch die langen Transportwege so weit im Norden ist alles extrem teuer – sondern liefert auch die qualitativ beste Ernährung. Doch wenn im "Gebiet 1002" Öl gefördert wird, werden die Karibus ihre Wanderwege so weit nach Südosten verlagern, dass die meisten Gwich’in sie nicht mehr erreichen.

... soll dem Machtpoker der Öl-Lobby geopfert werden

Im US-Kongress ist ein regelrechtes Tauziehen um das ANWR entbrannt. Die Demokratische Partei und ein Teil der republikanischen Abgeordneten wollen gemeinsam mit den Gwich’in und Umweltschützern das ANWR erhalten. Die übrigen republikanischen Abgeordneten, allen voran George W. Bush, der Gouverneur von Alaska Frank Murkowski und die Senatoren Ted Stevens und Lisa Murkowski aus Alaska, wollen die Ölförderung mit allen Mitteln durchsetzen. Mehrfach sind die Befürworter der Ölförderung bereits daran gescheitert, auf dem Gesetzeswege eine Öffnung des ANWR zu bewirken. Dabei wird die Ölförderung im ANWR willkürlich an unterschiedlieche Haushaltsposten angekoppelt, um mit diesen gemeinsam, sozusagen im "Huckepackverfahren", abgestimmt zu werden. Zum Jahreswechsel 2005/2006 waren es die Gelder für die Truppen im Irak innerhalb des Wehretats. Die Abgeordneten, so die Hoffnung der Öl-Lobbyisten, würden das Schutzgebiet opfern, um nicht als unpatriotisch zu gelten. Doch ging dies auch vielen Republikanern zu weit: Die nötige Stimmenzahl kam nicht zustande.

Das Tauziehen um das ANWR ist damit nicht beendet, denn schon haben die Debatten um den Haushalt 2007 begonnen. Erneut steht das ANWR zur Disposition. Der Senat hat einer Fassung, in der die Ölförderung eingeschlossen ist, bereits zugestimmt, das Repräsentantenhaus hat noch nicht abgestimmt, wird aber nach den bisherigen Prognosen vermutlich ablehnen. Solange die beiden Kammern des US-Kongresses sich in dieser Frage nicht auf eine gemeinsame Sprachregelung einigen, kann das ANWR nicht angetastet werden.

DAS TUT DIE GESELLSCHAFT FÜR BEDROHTE VÖLKER

Die GfbV hat mit einer Briefkampagne, Lobbying bei Abgeordneten des US-Kongresses und im Frühjahr 2005 mit einer Stellungnahme vor der UN-Menschenrechtskommission in Genf die Forderungen der Gwich’in unterstützt, den Lebensraum der Porcupine-Karibuherde und damit ihre Existenz als indigenes Volk zu schützen.

Im Juli 2005 baten wir mit unserem E-Mail-Newsletter Nr. 34 die mehr als 3000 Abonnenten um Hilfe für die Gwich’in, mit einem Etappensieg, denn die Öllobby setzte sich dieses Mal nicht durch. Zum Jahreswechsel wurde das Haushaltsgesetz erneut zur Abstimmung gestellt. Die GfbV wandte sich mit Briefen an zahlreiche US-Abgeordnete und bat sie, das ANWR nicht für kurzfristige Wirtschaftsinteressen zu opfern.

Mit einem pogrom-Artikel (Nr. 234, 6/2005) und Presseerklärungen am 20. Dezember 2005 und 14. März 2006 setzten wir unsere Kampagne für die Gwich’in fort.

Das können Sie tun:

Das Tauziehen um das ANWR ist noch nicht entschieden. Auch im Haushaltsgesetz von 2007 ist die Ölförderung wieder enthalten. Deshalb ist unser Appell für die Gwich’in nach wie vor aktuell. Wenn Sie sich an unserer Aktion beteiligen wollen, finden Sie unseren Appell auf unserer Homepage www.gfbv.de unter: Aktionen/Newsletter. Fordern Sie weitere Informationen zu unserer Kampagne und unseren Hintergrundbericht an. Wir werden eine Interessentenliste erstellen und diese jeweils beliefern, wenn es etwas Neues gibt. Wenden Sie sich an das Referat indigene Völker, Yvonne Bangert, Postfach 2024, D-37010 Göttingen, Tel.: +49 (0) 551, 4990614, Fax: +49 (0) 58028, E-Mail: indigene@gfbv.de.