27.12.2007

Burmas Minderheiten im Würgegriff

aus: bedrohte völker_pogrom 244/245, 5-6/2007

Die blutige Niederschlagung der Massenproteste der buddhistischen Mönche in Burma lenkte im Oktober 2007 die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die katastrophale Lage der Menschenrechte in dem südostasiatischen Staat. Doch nicht nur in Rangun, der größten Stadt des Landes, gab es öffentliche Proteste. Auch in vielen Gebieten, in denen überwiegend ethnische Minderheiten leben, gab es Demonstrationen und Verhaftungen. So protestierten in der Hauptstadt des Bundesstaates Kachin erstmals seit Jahren Angehörige des Volkes der Kachin gemeinsam mit Mönchen gegen die Militärjunta. Auch in den Gebieten der Mon und Karen gab es viele öffentliche Proteste, die jedoch von der Weltöffentlichkeit kaum wahrgenommen wurden, weil weite Teile dieser Regionen für ausländische Journalisten Sperrgebiet sind.

Die ethnischen Minderheiten stellen rund 30 Prozent der 50 Millionen Bewohner Burmas. Sie leben überwiegend in den Bergregionen an den Grenzen zu den Nachbarländern. Seit 1948 ringen sie um mehr Selbstverwaltung und Menschenrechte. Während sich die internationale Gemeinschaft nun für die Freilassung der bei der Niederschlagung der Proteste in Rangun Festgenommenen einsetzt, nimmt kaum jemand wahr, dass in den Minderheitengebieten seit Jahren schwerste Menschenrechtsverletzungen andauern.

Mindestens 76.000 Angehörige ethnischer Minderheiten sind im Jahr 2006 vor schweren Menschenrechtsverletzungen aus ihren Dörfern im Osten von Burma geflohen. Dies stellte ein Bündnis von Menschenrechtsorganisationen, die im Grenzgebiet von Thailand und Burma arbeiten, in ihrem im Oktober 2007 veröffentlichten Jahresbericht fest. Am schlimmsten trafen Gewalt und Verfolgung die christlichen Karen. Im Karen-Gebiet hatten 43.000 Dorfbewohner vor Übergriffen der Armee fliehen müssen. Mindestens 167 Dörfer im Osten Burmas waren zerstört worden oder mussten von ihren Bewohnern aufgegeben werden, da sie von der Armee zwangsumgesiedelt wurden.

Mord, Vergewaltigung und Massaker gehören zum Alltag vieler ethnischer Minderheiten. So wurden im April 2007 drei Dorfälteste des Volkes der Chin von Armeesoldaten exekutiert, weil sie die Soldaten nicht über Aktivitäten einer Widerstandsbewegung der Chin informiert hatten. Im Norden des Karen-Staates wurden im März 2007 drei Karen bei einem Überfall der Militärs auf ein Dorf getötet, im Mai 2007 wurden bei Angriffen der Soldaten auf Karen-Dörfer drei Männer exekutiert und eine Frau vergewaltigt. Die Karen Human Rights Group dokumentierte die Vergewaltigung hunderter Karen-Frauen durch burmesische Soldaten in den Jahren 2005 bis 2007. Sexuelle Gewalt gegen Frauen wird von der Armee systematisch als Kriegswaffe eingesetzt, um die Zivilbevölkerung einzuschüchtern, zur Zusammenarbeit mit den Militärs zu drängen, zu bestrafen oder um Zivilisten aus umkämpften Gebieten zu vertreiben.

Rund 109.000 Angehörige ethnischer Minderheiten wurden von der Militärjunta im Osten des Landes zwangsumgesiedelt. Mit der Beschlagnahme von Land durch die Militärs, durch Zwangsumsiedlungen, willkürliche Besteuerungen, Zwangsarbeit und Erpressung hat die Verarmung der ethnischen Minderheiten massiv zugenommen. Auch ist ihre Versorgung mit Nahrungsmitteln oft nicht garantiert, weil internationale Hilfsorganisationen die Not leidende Bevölkerung in den von der Außenwelt abgeriegelten Nationalitätengebieten nicht erreichen. Rund 99.000 Angehörige der Minderheiten verstecken sich vor den Soldaten der Junta in den zwischen Widerstandsgruppen und der Armee umkämpften Nationalitätengebieten.

Angehörige des Volkes der Mon wurden entlang der Trasse einer Erdgaspipeline nach Thailand zu Zwangsarbeit rekrutiert. Offiziell bekräftigte die Militärjunta zwar in einem Abkommen mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) am 26. Februar 2007 die Abschaffung der Zwangsarbeit. Doch vor allem in den Gebieten der Minderheiten werden noch immer Angehörige von Minderheiten zu Zwangsarbeit verpflichtet. So mußten Karen im Mai Trägerdienste für die Armee leisten und Chin wurden als Zwangsarbeiter beim Bau von Strassen eingesetzt.

Entlang des Salween-Flusses, an dem die Junta mehrere Staudämme für die Energieerzeugung bauen lassen will, werden immer mehr Truppen stationiert, die mit Übergriffen die lokale Bevölkerung einschüchtern und vertreiben.

Eine immer größere Bedrohung für die Minderheiten ist die Ausweitung des Palmöl-Anbaus und der Rizinusöl-Produktion. In der im Südosten des Landes gelegenen Tenasserim-Division – einer der 14 Verwaltungseinheiten Burmas – leiden Shan, Karen, Mon und andere kleinere Völker unter der Beschlagnahme von Ackerflächen, auf denen nun Palmöl-Plantagen eingerichtet wurden. Über eine ähnlich dramatische Enteignung von Bauern berichten Shan im Süden des Shan-Staates. Auch dort werden von den Militärs gegen den Willen der lokalen Bevölkerung Landwirtschaftsflächen beschlagnahmt und Plantagen für den industriellen Anbau von Nutzpflanzen für die Exportwirtschaft eingerichtet. So ist es kein Wunder, dass in den Nationalitätengebieten zehntausende Menschen Hunger leiden und diese Zahl jedes Jahr zunimmt.

Im Norden des Karenni-Staates hingegen sind Ackerflächen von der fünffachen Größe des Saarlandes (12.000 Quadratkilometer) von dem Staat konfisziert und für Industrieprojekte bereitgestellt worden. Mit diesen Industrieprojekten kommt die Junta nicht nur ausländischen Investoren entgegen, die von der Ausbeutung der Rohstoffe massiv profitieren, sondern damit verstärken die Militärs auch ihren Würgegriff gegenüber den Minderheiten. Diesen Nationalitäten wird systematisch die Lebensgrundlage entzogen.

Demokratie und Menschenrechte für Burma dürfen nicht nur für die festgenommenen Oppositionellen in Rangun gelten, sondern müssen gleichermaßen auch in den Minderheiten-Gebieten endlich Wirklichkeit werden. Nur wenn dort Willkür und Terror der Militärs enden, kann ernsthaft eine glaubwürdige und dauerhafte politische Lösung für den Jahrzehnte langen Konflikt zwischen der Regierung Burmas und den Nationalitäten gesucht werden.