21.07.2009

Bundesregierung soll Russland zur Ratifizierung der EU-Charta für Minderheitensprachen drängen

Sprache der Tataren bedroht

Universität in Kazan, Hauptstadt von Tatarstan (Foto: Lost Bob/flickr.com)


Unterstützt von der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) wenden sich die Exilverbände der Tataren in Deutschland in den kommenden Tagen mit der dringenden Bitte an die Bundesregierung, sich für die Ratifizierung der EU-Charta über Minderheitensprachen durch Russland einzusetzen. Die Tataren fürchten, dass ihre Sprache durch neueste Bestimmungen des russischen Gesetzgebers zurückgedrängt wird. Auch die in der Ukraine ansässigen Krimtataren klagen über Diskriminierung. Ihnen würden Sprachen- und Landrechte vorenthalten.

 

"In Tatarstan wurde Tatarisch als Unterrichtssprache abgeschafft, unterrichtet und geprüft wird jetzt nur noch in russischer Sprache", kritisiert der GfbV-Experte für Turkvölker, Mieste Hotopp-Riecke. An den Universitäten in Tatarstan würden die Fakultäten für Tatarisch aufgelöst. Außerhalb der Autonomen Republik Tatarstan gehe die Zahl der tatarischen Schulen rasant zurück. Habe es in der Russischen Föderation 2004/2005 noch 712 tatarische Schulen gegeben, seien es im vergangenen Schuljahr nur noch 490 gewesen. Prüfungen, Anträge und Berichte dürfen nunmehr ausschließlich auf Russisch verfasst werden.

 

Die rund zwei Millionen Tataren stellen in der Autonomen Republik Tatarstan etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung. In der Russischen Föderation leben noch einmal etwa vier Millionen Tataren vor allem im Wolga-Ural-Gebiet, Nizhniy Novgorod, Moskau und Sankt Petersburg.

 

Auch die Sprache der Krimtataren in der Autonomen Republik Krim in der Ukraine ist gefährdet. Den dort wieder ansässigen etwa 265.000 Krimtataren stehen lediglich 14 Schulen zur Verfügung. In der ukrainischen Hauptstadt Kiew demonstrieren seit dem 6. April mehr als 120 Krimtataren mit einem Hungerstreik vor dem Parlament für das Recht auf ihr Land und ihre Sprache. Das Volk der Krimtataren wurde unter Stalin kollektiv nach Zentralasien deportiert. Etwa 46 % der damals 191.000 deportierten Krimtataren kam dabei ums Leben. Erst von 1991 an wurde eine Rückkehr zugelassen. Doch noch immer warten rund 70.000 zurückgekehrte Krimtataren – etwa 15.000 Familien – auf Restitution und Zuteilung von Land, das nach der Deportation in den Besitz von Russen übergegangen ist, die rund 57 Prozent der Bevölkerung auf der Krim stellen.

 

Die Krimtataren sind in ihrer Heimatregion heute in der Minderheit. Sie stellen nur 13 Prozent der Bevölkerung, aber schon 25 Prozent der Schüler. Über 100.000 Krimtataren konnten noch nicht zurückkehren, auch weil die Landzuteilung bis heute unsicher und die soziale Lage auf der Krim katastrophal ist. Die Rückkehrwilligen leben größtenteils in Usbekistan. Verschiedene Gesetzentwürfe der ukrainischen Regierung u.a. über Wiedergutmachung, Restitution und Gleichstellung der Sprache der Krimtataren wurden bisher nicht ratifiziert, verschwanden in Schubladen der Bürokratie.