16.02.2009

Brennpunkt West-Papua - Ständig neue massive Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung durch das indonesische Militär und die Polizei

Die indonesische Regierung geht mit aller Härte gegen die Ureinwohner West-Papuas vor, die für ihr Recht auf Selbstbestimmung kämpfen. Viele Aktivisten und Menschenrechtler wurden in den letzten drei Monaten auf offener Straße verhaftet, mit Tritten und Schlagstöcken schwer verletzt oder von indonesischen Sicherheitskräften willkürlich getötet. Es gibt Berichte über Folter in Gefängnissen und im Polizeigewahrsam.

 

Internationales Engagement wird dringend benötigt!

 

 

West-Papua ist der Westteil von Neuguinea, die zweitgrößte Insel der Erde. Die Region bildet die autonome Provinz Papua, die von der Republik Indonesien verwaltet wird. Sie ist besonders reich an Rohstoffen wie Kupfer, Gold, Nickel, Bauxit, Erdöl und Erdgas. Dort befindet sich auch der letzte intakte tropische Regenwald Asiens. Die natürlichen Ressourcen werden von internationalen Konzernen ausgeplündert, mit verheerenden Folgen für die Umwelt und die indigene Bevölkerung, die kaum an den Gewinnen beteiligt wird. Das indonesische Militär und Polizei sichert die gigantischen Großprojekte und schützt die Interessen der multinationalen Konzerne. Es sind vor allem diese Konzerne, die die seit Jahrzehnten andauernden gravierenden Menschenrechtsverletzungen zu verantworten haben.

 

Im Namen von Modernisierung und Entwicklung hat sich die indonesische Regierung in den letzten Jahrzehnten rigoros über traditionelle Landrechte hinweggesetzt, und die indigene Bevölkerung ihres Lebensraumes beraubt. Die Bewohner West-Papuas wehren sich gegen diese rücksichtslose Ausbeutung ihres Landes und die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen. Die brutalen Militäraktionen haben die anti-indonesische Haltung der indigenen Bevölkerung verstärkt. Sie fordert politische und wirtschaftliche Partizipation sowie Entschädigung für Landenteignungen, geeignete Umweltschutz- und Entwicklungskonzepte, die ihre Lebensweise berücksichtigen. Menschen, die sich in Nichtregierungsorganisationen und in christlichen Gemeinden für diese politischen und gesellschaftsrelevanten Ziele einsetzen, werden vom Militär traktiert und in ihrer Arbeit behindert.

 

 

Politische Entwicklung seit dem Sturz des Diktators

 

Nach dem Sturz des Diktators Suharto 1998 entwickelten sich Ansätze einer demokratischen Bewegung, die von der Bevölkerung in West-Papua dazu genutzt wurden, um auf ihr Recht auf Selbstbestimmung aufmerksam zu machen. Bald beendeten Militär und Polizei Kundgebungen wieder gewaltsam und machten damit alle Hoffnungen auf einen demokratischen Neuanfang zunichte.

 

Nach der seit 1961 ersten freien Versammlung kamen auf dem II. Nationalen Kongress West-Papua vom 29. Mai bis zum 4. Juni 2000 mehrere Tausend Papua zusammen. Ein in den verschiedenen Regionen gewählter Rat aus 500 Personen diskutierte über die weitere politische, soziale und kulturelle Zukunft West-Papuas. Gefordert wurde unter anderem, die Kultur der Papua zu pflegen, die traditionellen Rechte wieder in Kraft zu setzen und die Ausplünderung der Rohstoffe durch die indonesische Regierung zu beenden. Der Kongress beauftragte zwei Vorsitzende sich für die weltweite Anerkennung der Souveränität West-Papuas, für die Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen, für friedliche Verhandlungen mit Indonesien und den Niederlanden und für die eigenverantwortliche Nutzung der Ressourcen einzusetzen. Eine Gruppe von Intellektuellen in West-Papua arbeitete einen Gesetzesvorschlag für eine "Spezielle Autonomie" West-Papuas aus. Das Parlament Indonesiens übernahm zwar nicht alle vorgeschlagenen Punkte, beschloss aber im November 2001 ein Sonderautonomiegesetz, das die Bildung einer eigenen politischen Vertretung der Papua erlaubte. In den darauf folgenden Monaten begannen schon die Verstöße gegen die neuen Bestimmungen. Im Dezember 2000 wurden über 100 Papua von der indonesischen Polizei ohne Erklärung festgenommen, misshandelt und brutal gefoltert.

 

Im Oktober 2001 hisste eine Gruppe von Papua in Wamena, einer Stadt in der Provinz (Ost)Papua, die papuanische Morgensternflagge. Sie wurden zum Teil zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Im November 2001 wurde der Vorsitzende des Kongresses, Theys H. Eluay einer der einflussreichsten Führer der Unabhängigkeitsbewegung, nach einem Treffen mit Offizieren gefoltert und ermordet. Die Untersuchungen zu diesem Mordfall gehen nur schleppend voran, und vor Ort tätige Nichtregierungsorganisationen berichten wiederholt von Einschüchterungen und Drohungen. Der Mord an Eluay ist nur einer in einer Reihe an politisch motivierten Gewalttaten von beiden Seiten. In der zweiten Jahreshälfte 2001 folgten seitens des Militärs weitere willkürliche Morde und Verhaftungen, Folter, abgebrannte Häuser und Tausende von Flüchtlingen, die wie in der Vergangenheit auch, nach Papua-Neuguinea flohen. West-Papua stand Anfang 2002 vor der Ausrufung des zivilen Ausnahmezustands.

 

Im Herbst 2004 starb ein Menschenrechtsaktivist auf dem Weg nach Amsterdam in einer Maschine der indonesischen Fluggesellschaft Garuda. Er wurde unterwegs - wahrscheinlich vom indonesischen Geheimdienst - mit Arsen vergiftet. Am 1. Dezember 2004 wurde in Abepura, Provinz Papua, bei einer friedlichen Zeremonie in Erinnerung an die Erklärung der Unabhängigkeit Papuas die Morgensternflagge gehisst. Daraufhin gingen Polizeikräfte gegen die Demonstranten vor, feuerten Warnschüsse ab und schlugen mit Schlagstöcken auf die Teilnehmer ein. Die zwei Papua Philip Karma und Yusak Pakage wurden festgenommen und zu fünfzehn und zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Während der Gerichtsverhandlung im Mai 2005 protestierte eine große Menschenmenge vor dem Gerichtsgebäude. Die indonesische Polizei reagierte mit brutaler Gewalt und verletzte viele Menschen.

 

Im Oktober 2006 wurden 20 Papua, größtenteils Studenten, zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Ihnen wird vorgeworfen an einer Straßenblockade während einer Demonstration gegen das Bergbauunternehmen Freeport beteiligt gewesen zu sein. Es kam zu mehreren Toten auf Seiten der Demonstranten und der Sicherheitskräfte. Die willkürlich festgenommenen Demonstranten – auch unbeteiligte Passanten - wurden durch Folter zu Geständnissen gezwungen.

 

 

Aktuelle Entwicklung

 

Im März 2008 wurden bei zwei friedlichen Demonstrationen, organisiert durch die "West Papua National Authority" (WPNA), insgesamt dreizehn Menschen verhaftet. Am 8. Januar 2009 wurden elf Papua - bekannt als die MANOKWARI ELF - darunter der Sprecher der WPNA zu dreieinhalb Jahren und die anderen zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie bei einer Demonstration die papuanische Morgensternflagge hoch gehalten hatten. Das Richtergremium begründete die Urteile damit, dass die Separationsbestrebungen für West Papua eine Bedrohung der staatlichen Integrität Indonesiens darstellen würden. Gegen das Urteil wurde am 9. Januar 2009 Berufung eingelegt. Gegenwärtig befinden sich über 40 Papua in Gefängnissen in Indonesien, weil sie "separatistische Symbole" wie die Morgensternflagge bei Demonstrationen öffentlich zeigten. Dieses "Verbrechen" kann in Indonesien mit lebenslanger Haft bestraft werden.

 

Am 15. Oktober 2008 wurde im Haus des Parlaments in London mit Unterstützung von Parlamentsmitgliedern die Vereinigung "Internationale Parlamentarier für West Papua" (IPWP) gegründet. In einer offiziellen Erklärung – THE WEST PAPUA DECLARATION – erkennen die Unterzeichner das Recht der indigenen Völker West-Papuas auf Selbstbestimmung an und rufen ihre Regierungen auf, für dieses Recht entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Seit der Gründung der Vereinigung fanden mehrere Demonstrationen mit Tausenden Papuas zur Unterstützung der Vereinigung statt. Die Demonstration am 16. Oktober 2008 vor der Cendrawasih-Universität in Jayapura wurde von der indonesischen Polizei und dem Militär gewaltsam aufgelöst. Die Polizei verhaftete Studenten und Aktivisten, die als Unterstützer der IPWP gelten.

 

Im Dezember 2008 wurde der IPWP-Organisator Buchtar Tabuni und Seblon Sambom ein weiteres Mitglied der Vereinigung "Internationale Parlamentarier für West Papua" verhaftet. Beide Männer werden derzeit im Gefangenenlager der Papua Regionalpolizei in der Provinzhauptstadt Jayapura festgehalten. Sie wurden von Gefängnisoffizieren mit Tritten schwer misshandelt, mit Schlagstöcken bedroht, es wurde ihnen Folter angedroht. Sie erhielten mehrere Tage lang kein Trinkwasser. Gespräche mit dem Anwalt werden ihnen verweigert. Gegen keinen der beiden Inhaftierten wurde bisher Anklage erhoben. Weitere fünf politische Gefangene wurden ebenfalls mehrere Male schlimm misshandelt. Sie wurden nach den Misshandlungen zusammen in eine kleine, mit Fäkalien beschmutzte Zelle ohne Fenster eingesperrt.

 

 

Demonstration vor der deutschen Botschaft in Jakarta

 

Der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, Günter Nooke, bereist gegenwärtig Indonesien. Im Rahmen seines Besuches beabsichtigte er auch die indonesische Provinz Papua zu besuchen. Dies wurde ihm von der indonesischen Regierung jedoch untersagt. Etwa 100 Papua-Studenten demonstrierten am 13. Februar vor der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Jakarta. Zwei Studentenvertreter konnten Günter Nooke in der Botschaft persönlich über das Scheitern der Sonderautonomie und die zunehmenden Menschenrechtsverletzungen in West-Papua informieren.