24.06.2006

Bau des Merowe-Großstaudamms im Sudan

Deutsche Unternehmen sind mitverantwortlich für Menschenrechtsverletzungen

 

1. DEUTSCH-SUDANESISCHES WIRTSCHAFTSFORUM WIRBT FÜR

UMSTRITTENES MEGAPROJEKT

Wenn am 26. und 27. Juni 2006 das 5. Deutsch-Sudanesische Wirtschaftsforum mit einer Konferenz in Deutschland um Investitionen im Sudan wirbt, wird der Bau des umstrittenen Merowe-Großstaudammes am Nil im Nordsudan im Mittelpunkt stehen. Nicht nach Frankfurt oder in andere deutsche Wirtschaftsmetropolen, sondern in die hessische Kleinstadt Bad Vilbel lädt das von der deutschen Botschaft in Khartum unterstützte Deutsch-Sudanesische Wirtschaftsforum ein. Doch seit der Sudan 1999 mit der Erdölförderung begann und beträchtliche Erlöse aus dem Erdölexport verzeichnet, gilt der diktatorisch geführte Staat auch bei der europäischen Industrie als solventer und immer beliebterer Handelspartner. Während im Jahr 2004 noch 1.660 ausländische Investitionen im Sudan registriert wurden, seien es im Jahr 2005 bereits 2.535 im Werte von 1,038 Milliarden US-Dollars gewesen, erklärte das zuständige Ministerium in Khartum kürzlich in einem Bericht an das sudanesische Parlament (Sudan Tribune, 7.6.2006). Im März 2004 war mit Unterstützung der deutschen Bundesregierung der Sudanesisch-Deutsche Wirtschaftsrat in Khartum gegründet worden, der die Geschäftsbeziehungen zwischen beiden Staaten fördern soll.

Dass man sich in Bad Vilbel trifft, ist kein Zufall. Denn dort ist der Sitz der Firma Lahmeyer International, die als Generalunternehmer den Bau des Merowe-Staudammes koordiniert. Lahmeyer, eines der ganz bedeutenden Unternehmen im internationalen Staudamm-Bau, ist nicht nur räumlich der Tagung sehr nahe, sondern wird auch den zweiten Tag der Konferenz gestalten. Teilnehmer, die weitere Informationen über die Konferenz erhalten möchten, werden vom mitveranstaltenden Afrika-Verein in Hamburg gebeten, sich vertrauensvoll an das Unternehmen in Bad Vilbel zu wenden.

 

2. MASSAKER AN STAUDAMM-GEGNERN

Spätestens seit am 22.April 2006 drei Kritiker des Staudammbaues von Sicherheitskräften und Milizionären unter den Augen der Polizei erschossen und weitere 50 Personen verletzt wurden, ist offensichtlich, dass das Megaprojekt ohne Rücksicht auf die betroffene Zivilbevölkerung vorangetrieben wird. Bei den in dem Ort Marawi Getöteten handelt es sich um drei Bauern aus der Volksgruppe der Amri. Sie hatten sich in einer Schule getroffen, um sich gemeinsam mit anderen Bewohnern der Region darüber auszutauschen, wie sehr das Staudammprojekt ihr Leben verändert hat. Die Amri verhandeln seit zwei Jahren mit der sudanesischen Regierung über ihre Umsiedlung aus der Region, da ihre traditionellen Siedlungsgebiete für den Stausee des Merowe-Dammes geflutet werden sollen. Viele Amri lehnten die von den Behörden vorgeschlagene Umsiedlung in die Wüste Bayouda ab und fordern, in der Nähe des Stausees wieder angesiedelt zu werden. Am Tag des Massakers hatten sie sich gerade um 11 Uhr morgens in Anwesenheit von Polizeioffizieren auf dem Schulhof versammelt, um gemeinsam zu frühstücken, als schwer bewaffnete Milizionäre in den Hof eindrangen und ohne Warnung das Feuer auf die Versammelten eröffneten. Die Todesschützen waren Mit 16 Geländewagen, die mit Maschinengewehren und Artillerie ausgerüstet waren, waren die Todesschützen vorgefahren. Sie sind Mitglieder einer regierungsfreundlichen Miliz, die mit der Bewachung der Groß-Baustelle beauftragt wurde.

Die Verletzten wurden mit Privatfahrzeugen in das 25 Kilometer entfernte Krankenhaus der Stadt Kariema gebracht. Danach wurden die Fahrzeugführer dieser Privatautos kurzzeitig verhaftet. Aus dem Kreis der Staudamm-Kritiker wurden nach Informationen der "Sudanesischen Organisation gegen Folter" drei Personen (der 25 Jahre alte Ali Mohamed Alhassen Massad , der durch Schüsse verletzte 18jährige Mohamed Ahmed Alajaimy und der 35 Jahre alte Fadalla Idris Alajaimy) festgenommen. Sie wurden der Aufwiegelung gegen den Staat und der Körperverletzung beschuldigt. Die im ägyptischen Kairo ansässige "Sudanesische Menschenrechtsorganisation (SHRO)" und das Internationale Sekretariat der "Weltorganisation gegen Folter (OMCT)" protestierten in scharfer Form gegen die willkürlichen Verhaftungen und das Massaker. Die SHRO forderte eine sofortige umfassende Untersuchung des Verlaufs und der Hintergründe des Massakers und eine juristische Bestrafung der Verantwortlichen.

Schon am 7. April 2006 hatten die seit Monaten schwelenden Spannungen erstmals gewalttätige Auseinandersetzungen zur Folge, als die oberste mit dem Staudamm-Bau befasste sudanesische Behörde – die Merowe Dam Project Implementation Unit (MDPIU) – eine große Zahl Milizionäre zusammenzog, um eine Amri-Gruppe gewaltsam in das von ihnen abgelehnte Wadi Al Mugadam umzusiedeln. Bereits im Dezember 2005 sollten die Schadensersatzansprüche der Betroffenen in einer Umfrage festgestellt werden. Angesichts der Ablehnung der Betroffenen wurde die Umfrage jedoch mehrmals verschoben und sollte nun mit Hilfe der Milizionäre durchgeführt werden, um die Betroffenen danach unverzüglich umzusiedeln. Zwischen den Dorfbewohnern und der Miliz kam es zu massiven Auseinandersetzungen. Die Amri hatten zuvor angekündigt, mit allen Mitteln ihr Land verteidigen zu wollen und sich gegen eine Zwangsumsiedlung zu wehren. Bei den Auseinandersetzungen wurde eine unbekannte Zahl von Personen verletzt, zwei Verwaltungsgebäude der Dammbehörde und einige Fahrzeuge, in die sich die Milizionäre angesichts des Widerstands der Bevölkerung geflüchtet hatten, wurden in Brand gesetzt. Nachdem verschiedene Führer der ansässigen Bevölkerung verhaftet worden waren, fuhren Dutzende Fahrzeuge mit Dorfbewohnern in die Stadt Kariema, um ihre Freilassung zu fordern. Da die MDPIU eine weitere Eskalation der Gewalt fürchtete, ließ sie die Ein- und Ausfallstraßen der Region von Milizionären überwachen. Doch diese Blockade erhöhte nur noch weiter die Spannungen, da die Betroffenen sie als Versuch empfanden, sie von jeder Nahrungsmittelversorgung abzuschneiden.

Dabei waren die Konflikte nicht neu. Mehrfach wurden bereits in den Jahren 2004/ 2005 Damm-Kritiker eingeschüchtert oder willkürlich festgenommen. So wurden am 9.Dezember 2004 die drei Staudamm-Kritiker Numeri Hassan Omar, El Nazir Omar Al Tahir und Hassan Siddiq Atolabi verhaftet. Zwischen November 2004 und Mai 2005 wurden zwölf Staudamm-Gegner festgenommen. Energieminister Awad al-Jaz erklärte dazu nur ganz unverblümt, sie würden freigelassen, wenn die Dorfbewohner in ihre Umsiedlung einwilligten (Guardian, 24.7.2005).

Erstmals war es am 30. September 2003 zu einer Eskalation der Gewalt gekommen, als eine Gruppe von Frauen, Kindern und Männern im Dorf Korgheli gegen ihre geplante Umsiedlung protestierte. Sicherheitskräfte setzten gegen die unbewaffneten Demonstranten scharfe Munition, Tränengas und Plastikgeschosse ein. Drei Männer wurden angeschossen und schwer verletzt. Auch einige Frauen wurden durch Schläge von Polizisten verletzt. Die Sicherheitskräfte verhafteten bei dem Protest den Präsidenten des Vereins der von dem Damm betroffenen Bevölkerung, den Hauptmann im Ruhestand Atayeb Mohammed Altayeb sowie seinen Stellvertreter Abdel Mutalab Tai Allha. Sie wurden einen Monat lang im Kober-Gefängnis in Khartum festgehalten, das wegen der vielen dort registrierten Menschenrechtsverletzungen berüchtigt ist. Vor ihrer Freilassung wurden sie gefoltert.

Am 1. Dezember 2003 griff die Polizei erneut Korgheli an. Sie zerstörte viele Häuser und schloss die Grundschule und Krankenstation, um die Bevölkerung zum Verlassen des Dorfes zu zwingen.

 

3. MANGELNDES KONFLIKTMANAGEMENT

Im November 2005 eskalierten die Spannungen zwischen chinesischen Kontraktarbeitern der Firma Harbin und Nomaden von der Volksgruppe der Manasir. Das chinesische Unternehmen Harbin Power Engineering Company hatte im Dezember 2003 den Auftrag erhalten, für 400 Millionen US-Dollars Hochspannungsmasten für den Transport der vom Staudamm erzeugten Energie zu errichten (Sudanesische Nachrichtenagentur SUNA, 22.12.2003). Diesen Bau-Auftrag erfüllt es in einem Joint Venture mit dem chinesischen Unternehmen Jillin Province Transmission and Substation Project Company.

Als chinesische Arbeiter Wasserstellen der Nomaden in der Umgebung von Sani sperrten, weil sie nach eigenen Angaben das Wasser zur Versorgung ihres eigenen Lagers und für ihre Bauarbeiten benötigten, versuchten die Nomaden vergeblich, sich mit Wasser zu versorgen. Die chinesischen Arbeiter riefen Milizen zur Verstärkung (Sudan Tribune, 28.11.2005). Daraufhin baten die sudanesischen Nomaden das "Komitee der vom Damm betroffenen Bevölkerung" um Hilfe. Diesem gelang es jedoch nicht zu vermitteln. Denn die oberste Staudamm-Behörde bestand darauf, selber darüber entscheiden zu können, wie viel Wasser wann und wie genutzt wird. Auch war die MPDIU nicht bereit, das "Komitee" als legitime Vertretung der Interessen der von dem Megaprojekt betroffenen Zivilbevölkerung anzuerkennen. Mit ihrer Verweigerung der Anerkennung des "Komitees" trug die MPDIU entscheidend zu einer Verschärfung der Lage bei, statt sich langfristig um eine wirksame Konfliktschlichtung zu bemühen. Den Konflikt weiter verschärft hat die Entscheidung der MPDIU, am 18. September 2005 die gesamte landwirtschaftlich bewirtschaftete Fläche im Nordstaat, in dem das Merowe-Projekt liegt, zu verstaatlichen.

Die MPDIU versucht, Befürworter und Gegner einer Umsiedlung gegeneinander aufzubringen. So wird die Gesundheits- und Schulversorgung nur noch für Dörfer geleistet, die sich im Sinne der MPDIU zur Umsiedlung bereit erklärt haben. Den anderen kritisch gegenüber den Erbauern des Staudammes eingestellten Dörfern wird die Grundversorgung verweigert und die Preise für dringend benötigte landwirtschaftliche Hilfsmittel wurden deutlich erhöht. Mit dieser Politik des "Teilens und Herrschens" setzt die MPDIU eine Strategie ein, die seit Jahren von der sudanesischen Regierung erfolgreich in den Krisengebieten im Süden, Westen und Osten des Sudan eingesetzt wird, um ethnische Konflikte zu schüren und um die eigene Macht zu sichern.

Die in dem Staudammgebiet lebenden Gemeinschaften hatten Komitees gewählt oder ernannt, um ihre Interessen angemessen zu vertreten. Damit wollten die Manasir und andere Volksgruppen, die noch nicht umgesiedelt wurden, erreichen, dass sie nur an Orte umgesiedelt werden, die auch von den Betroffenen akzeptiert werden. So sprachen sie sich gegen die Umsiedlung in Wüsten ähnliche Gebiete aus und plädierten stattdessen dafür, entlang dem Stausee angesiedelt zu werden.

Weitere Konflikte sind vorprogrammiert, nachdem es am 29. November 2005 auf der im Nil gelegenen Insel Sherri zu Auseinandersetzungen zwischen Staudamm-Kritikern und Sicherheitskräften kam. Seit August 2004 hatten die Inselbewohner die MPDIU aufgefordert, ihr Büro auf der Insel zu schließen, weil die Mitarbeiter der Staudamm-Behörde mit ihrem Verhalten immer neue Proteste auslösten. Als die ansässige Bevölkerung den Behörden schließlich eine Frist setzte, bis wann das Büro zu schließen sei, reagierten die Sicherheitskräfte hilflos und versuchten die Personen zu verhaften, die das Ultimatum gestellt hatten. Mit Hausdurchsuchungen und gezielten Einschüchterungen schufen die Ordnungskräfte ein Klima des Schreckens und der Gewalt, das nur neue Auseinandersetzungen auslöste. Schließlich wurden sogar Büros der MPDIU in Brand gesetzt und zerstört. Auch mit dem Einsatz von immer mehr Sicherheitskräften gelang es den Behörden nicht, die Region langfristig zu befrieden. Trotz dieser Eskalation unternehmen die sudanesischen Behörden nichts, um Verhandlungen mit den Staudamm-Kritikern aufzunehmen und eine glaubwürdige Konflikt-Schlichtung voranzutreiben. Bei der traditionell in der Region lebenden Bevölkerung schürt dies nur den Eindruck, dass ihre Anliegen sowohl von der sudanesischen Regierung als auch von der obersten Staudamm-Behörde nicht ernst genommen werden.

Vergeblich hatten seit dem Jahr 2004 die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation International Rivers Network (IRN) und die britische NGO "The Corner House" an die sudanesische Regierung appelliert, den Dialog mit den Betroffenen zu suchen. Auf Einladung der unabhängigen sudanesischen Umweltschutzorganisation "Environmentalists’ Society" hatte eine Delegation beider ausländischen NGO’s vom 22.Februar bis 1.März 2005 das Projektgebiet bereist und in zahlreichen Gesprächen mit Betroffenen, offiziellen sudanesischen Stellen, Wissenschaftlern und ausländischen Diplomaten den Stand der Auseinandersetzungen erörtert. In einem im Mai 2005 veröffentlichten ausführlichen Bericht (A Critical Juncture for Peace, Democracy, and the Environment: Sudan and the Merowe/Hamadab Dam Project) rufen sie zu einem umfassenden Dialog mit den Betroffenen, der Freilassung der Verhafteten und zu einer großzügigeren Entschädigung der Umsiedler auf.

 

4. MEROWE-STAUDAMM SOLL ARMUT LINDERN HELFEN

"Der Merowe-Staudamm wird das Ende der Armut bedeuten, weil mit ihm die Entwicklung in dem Land (Sudan) beginnt", erklärte Sudans Staatschef Omar Hassan al Bashir (Xinhua, 30.1.2006). Nach dem Willen der sudanesischen Regierung soll der Staudamm:

- das bestehende Defizit in der Stromversorgung im Sudan beenden,

- die zukünftige Energie-Nachfrage sicherstellen,

- zur industriellen und landwirtschaftlichen Entwicklung und Beschäftigung beitragen,

- den Lebensstandard der Bevölkerung erhöhen

- die Navigation auf dem Nil ermöglichen

- die Kontrolle von Überflutungen und Sediment-Ablagerungen ermöglichen.

Für 1,8 Milliarden US-Dollar soll der Merowe-Staudamm bis Mitte des Jahres 2008 rund 350 Kilometer nördlich der Hauptstadt Khartum am Nil errichtet werden. Es ist zurzeit das größte Staudamm-Projekt in Afrika. Ursprünglich wurde das Projekt auch als Hamadab-Staudamm gemäß der in der Region lebenden Volksgruppe bezeichnet. Merowe ist der Name einer 40 Kilometer flussabwärts am Nil gelegenen Stadt. Inzwischen wird das Projekt offiziell nur noch als Merowe-Staudamm bezeichnet. Kritiker vermuten, dass damit gerechtfertigt werden soll, warum auch in der außerhalb des Projektgebietes gelegenen Stadt Merowe mit Staudammgeldern Hilfsprogramme durchgeführt werden.

Im Nil sind in dem Projektgebiet auch zahlreiche größere Inseln gelegen. Mit dem Bau des Staudammes soll ein 174 Kilometer langer und vier Kilometer breiter Stausee entstehen, der von einer neun Kilometer langen 67 Meter hohen Staumauer gebildet wird. Der Damm soll 1250 Megawatt Energie liefern.

Die Idee des Projektes ist bereits alt. Schon in den ersten Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts schlugen die Englisch-Ägyptischen Kolonialbehörden den Bau vor. Unter der Militärregierung von General Numeiri wurde der Plan 1979 wieder aus den Schubladen hervorgeholt. Doch erst unter Militärdiktator al Bashir nahm das Projekt konkrete Formen an. Zwischen 1990 und dem Jahr 2001 untersuchten russische Ingenieure, ob das Projekt verwirklicht werden kann. Im Jahr 2001 wurde der Bau international ausgeschrieben. Zehn Ingenieurfirmen, die im Staudamm-Bau international führend sind, beteiligten sich an der Ausschreibung.

 

5. DEUTSCHE INGENIEURE SIND FÜHREND AM BAU BETEILIGT

Den Zuschlag für die Entwicklung und Überwachung des Baues erhielt schließlich Lahmeyer International aus Bad Vilbel. Zusätzlich wurde das deutsche Unternehmen noch im Jahr 2002 damit beauftragt, eine Umweltverträglichkeitsstudie zu erstellen. Nach Angaben Lahmeyers beruhte die Studie aufgrund mangelnder finanzieller Mittel auf Informationen, die von sudanesischen Beratern und Institutionen gesammelt und vorher ausgewählt worden seien.

Neben Lahmeyer mit seiner führenden Rolle ist noch ein weiteres deutsches Unternehmen an dem Bau beteiligt. So wurde die BAUER Spezialtiefbau GmbH aus Schrobenhausen mit besonders komplizierten Bohr-Arbeiten im extrem harten Steinboden beauftragt. Im Februar 2006 hatte die Firma nach eigenen Angaben acht Bohrlöcher angelegt, um mehrere Wälle zu errichten.

Doch es ist vor allem ein chinesisches Joint Venture, die CCMD (China International Water & Electric Corporation und die Sinohydro Corporation), das sich gegen große internationale Konkurrenz aus Griechenland, Italien, Frankreich und Österreich den eigentlichen Bau-Auftrag sichern konnte. Bis zu 2.000 Personen sind auf der Baustelle beschäftigt. Rund 90 Prozent der Ingenieure und 75 Prozent der Techniker sind Chinesen. Der Vertrag im Wert von 650 Millionen US-Dollars ist der größte internationale Bau-Auftrag, den chinesische Firmen jemals erhalten haben.

Der französische Alstom-Konzern erhielt den Zuschlag für die Lieferung von zehn Wasserkraftturbinen und Generatoren sowie eines Steuerungssystems im Wert von 250 Millionen Euro.

Der Schweizer Konzern ABB baut Übertragungsstationen für den Transport der erzeugten Energie.

 

6. DEUTSCHE BANK INDIREKT AN FINANZIERUNG BETEILIGT?

Bedeutendster ausländischer finanzieller Förderer des umstrittenen Megaprojektes ist die offizielle Außenhandelsbank Chinas, die China Export-Import Bank, mit rund 240 Millionen Euro. Die 1994 gegründete Bank ist Chinas offizielles Geldinstitut zur Finanzierung von Außenhandelskrediten. Die Exim Bank hat mit der Gewährung von Anleihen und Krediten eine große Bedeutung für Chinas weltwirtschaftliche Ambitionen. Dabei spielen Menschenrechte und Fragen des Umweltschutzes keine große Rolle. "Geschäft ist Geschäft. Wir versuchen die Politik von geschäftlichen Dingen zu trennen", erklärte Chinas stellvertretender Außenminister Zhou Wenzhong im Jahr 2004. Das für die Kreditvergabe benötigte Geld bekommt Chinas Exim Bank von der chinesischen Regierung zur Verfügung gestellt oder bringt es durch Anleihen auf nationalen und internationalen Kapitalmärkten auf.

Im Juli 2004 arrangierten die Deutsche Bank, die Citibank, Goldman Sachs und die HSBC eine Schuldverschreibung für die Exim Bank im Wert von 750 Millionen US-Dollars. Somit unterstützt die Deutsche Bank nach Auffassung der Gesellschaft für bedrohte Völker mit ihrer finanziellen Unterstützung der Exim Bank indirekt auch deren Kreditvergabe für umstrittene Großprojekte wie den Merowe-Staudamm.

Weitere Unterstützer des Baues des Merowe-Staudammes sind:

- Arabischer Fonds für wirtschaftliche und soziale Entwicklung (240 Millionen Euro)

- Saudi-Arabischer Entwicklungsfonds (130 Millionen Euro)

- Entwicklungsfonds von Oman (130 Millionen Euro)

- Entwicklungsfonds von Abu Dhabi (85 Millionen Euro)

- Kuwaitischer Fonds für Arabische Wirtschaftsentwicklung (85 Millionen Euro)

- Sudanesische Regierung (400 Millionen Euro).

 

7. UMGESIEDELTEN DROHT VERELENDUNG

Mehr als 50.000 entlang des Nils lebende Kleinbauern und Nomaden müssen für den Bau des Stausees umgesiedelt werden. Der Großteil der Umsiedler stammt aus den drei arabischen Volksgruppen der Manasir, Amri und Hamadab.

Die rund 33.000 Manasir leben als Kleinbauern überwiegend in unmittelbarer Nähe des Nils. Diese arabische indigene Minderheit ernährt sich vor allem vom Gemüseanbau von in ihren Gärten. Geld erwirtschaften sie mit dem Verkauf von Datteln, die in Palmenhainen angebaut werden. Sie haben ein kompliziertes Erbsystem entwickelt, um eine weitere Zerstückelung des nur begrenzt zur landwirtschaftlichen Nutzung zur Verfügung stehenden Landes zu verhindern. Eine kleinere Gruppe der Manasir lebt als Beduinen-Nomaden mit Schaf- und Ziegenherden sowie Kamelen in Wüstentälern. Sie sind dabei auf die Regenzeit angewiesen, die mit der bislang jährlich auftretenden Überschwemmung der Nilufer zusammenfällt.

Die rund 47.000 Amri sind ebenfalls eine arabische indigene Minderheit, die von der Landwirtschaft entlang des Nilufers lebt. Sie bauen vor allem Hirse, Gemüse und Wassermelonen an und halten sich Schafe, Kühe und Ziegen, um Milch, Käse und Butter zu erhalten.

Eine dritte indigene arabische Gruppe, die von dem Staudammprojekt betroffen sind, sind die Hamadab. Sie leben ähnlich wie die Manasir und Amri entlang des Nils. Für den Anbau ihres Gemüses sind die Menschen entscheidend auf die Bewässerung und Düngung durch den über die Ufer tretenden Nil angewiesen.

Inzwischen sind bereits mehrere zehntausend Kleinbauern umgesiedelt worden. Für sie ging jedoch meist nicht der Traum vom Wohlstand und einer Verbesserung ihrer Lebensbedingungen in Erfüllung. Auf die Umsiedler warteten Verelendung, Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung und Angst vor neuen Übergriffen der Sicherheitskräfte und Milizen. Nachdem 200 Familien der Hamadab gezwungen worden waren, ihre Häuser in der Nähe des Nils zu verlassen und in die unwirtliche Wüste Nubiens zu ziehen, zeigte das staatliche sudanesische Fernsehen Bilder von Regierungsmitarbeitern, die als vermeintliche Dorfbevölkerung in die Umsiedlung einwilligten und Entschädigungszahlungen erhielten. Doch "echten" Umsiedlern erging es meist ganz anders: Viele mussten ihre Kühe verkaufen, da sie es sich angesichts der kargen Böden nicht mehr leisten konnten, sie zu ernähren. Das Land, das sie erhalten haben, ist so unfruchtbar, dass in vielen Fällen Kinder ihre Eltern bei der Arbeit auf den Feldern unterstützen müssen, statt die Schule besuchen zu können. Wenn die neuen Gebiete nicht vollkommen unfruchtbar und unwirtlich sind, sind sie bereits bewohnt, so dass Spannungen zwischen den Neusiedlern und der altansässigen Bevölkerung vorprogrammiert sind.

Seit Juni 2003 wurden 800 Familien der Hamadab in die Wüstensiedlung El Multaga umgesiedelt. Mitarbeiter des "International Rivers Network" und der britischen NGO "The Corner House" hatten die Gelegenheit, sich bei einem Besuch in dem Umsiedlungsgebiet im Februar 2005 selbst davon zu überzeugen, inwieweit die Versprechungen der Behörden sich auch tatsächlich erfüllten. Das Ergebnis ihrer Nachforschungen war schockierend:

Die Bodenqualität lässt sehr zu wünschen übrig, da El Multaga in der Wüste liegt. Zwar half die MPDIU bei der Beseitigung des Sandes, doch auch zwei Jahre nach der Umsiedlung waren noch immer 20 Prozent des versprochenen Landes nicht vom Sand geräumt und somit nicht nur für landwirtschaftliche Nutzung kaum brauchbar. Darüber hinaus ist die Bodenqualität so schlecht, dass selbst Bewässerungssysteme nicht ausreichen, um im gleichen Umfang wie zuvor Landwirtschaft zu betreiben. Die Bewohner bauen für den Eigenverbrauch Getreide an sowie Viehfuttter für Kamele, das sie für einen sehr geringen Preis an Nomaden abgeben. Anders als im Niltal können sie angesichts der schlechten Bodenqualität kein Gemüse anbauen.

In sozialer Hinsicht tickt eine Zeitbombe in dem Projektgebiet. Viele der Umgesiedelten sind unzufrieden. Sie sind nicht grundsätzlich gegen jeden Staudammbau, fordern jedoch ihre angemessene Beteiligung an der Planung und Durchführung des Projekts, sowie nutzbares Ackerland und angemessene Entschädigungen. Um ihre Interessen wirksamer vertreten zu können, haben sich die Betroffenen in dem "Führungsbüro der von Hamadab-Staudamm betroffenen Menschen" (Leadership Office of the Hamadab Dam Affected People, LOAHP) organisiert. Bis heute wartet das Büro auf Anerkennung von offizieller sudanesischer Seite.

Entgegen den Zusagen der Regierung wurden bislang keine Bewässerungskanäle gebaut, so dass das Risiko einer Versalzung des Wassers groß ist. Anders als in der Umweltstudie von Lahmeyer vorhergesagt, wird es wohl nicht nur einige Jahre, sondern eher Jahrzehnte dauern, bis sich die Bodenqualität in dem neuen Siedlungsgebiet El Multaga verbessert. Angesichts der erschwerten Bedingungen empfahl ein offizielles Techniker-Komitee, das die Bedingungen für die Umsiedlungen untersuchte, den Umsiedlern Wasser und Elektrizität für einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Entgegen diesen Empfehlungen beschloss die MPDIU, ihnen diese Dienstleistungen nur zwei Jahre lang kostenlos anzubieten. Entgegen den zuvor gemachten Versprechungen müssen die Umsiedler nun auch den Strom bezahlen, der für die Bewässerung ihrer Felder benötigt wird. Auch Düngemittel, Wasser und die regelmäßig notwendige Beseitigung des Sandes müssen die Umsiedler nach Ablauf der Zwei-Jahres-Frist aus der eigenen Tasche bezahlen. In den alten Siedlungsgebieten war die Düngung kostenlos, denn sie erfolgte durch die regelmäßig auftretenden Überschwemmungen des Nils.

Unzufrieden sind die Umsiedler auch mit ihren Häusern, da die Grundstücke sehr klein sind und bei vielen Häusern noch angemessene sanitäre Anlagen fehlen. Dies kann in Zukunft auch zu einer Zunahme von Bakterien-Erkrankungen führen. So wurde in einigen neuen Siedlungsgebieten schon eine Zunahme von Durchfallerkrankungen und Malaria festgestellt.

Lebten in El Multaga vor zwei Jahren nur zehn Prozent der Umsiedler unter der Armutsgrenze, so waren es kurz vor Ablauf der Zwei-Jahres-Frist (im Juni 2005) nach der Umsiedlung bereits 65 Prozent. Mit dem Auslaufen der kostenfreien Versorgung mit bestimmten Dienstleistungen wird die Verelendung voraussichtlich noch weiter zunehmen.

Angesichts der katastrophalen Zustände in den neuen Siedlungsgebieten wandern viele Betroffene weiter und suchen ihr Glück in den Slums der Hauptstadt Khartum. "Ich komme aus dem Gebiet von Hamadab", berichtet Alfadil Mohammed Osman. "Meine Leute leben nun in der Wüste, außer denjenigen, die gesund und tatkräftig waren und in die Slums in der Umgebung von Khartum gezogen sind. Sie haben kein Wasser, keine Gesundheitsversorgung, keine Hoffnung. Es ist eine katastrophale Situation" (Forced Migration Review, Nr. 21, September 2004, Oxford, GB, S.57). Andere enttäuschte Umsiedler versuchen, wieder in ihre Heimatdörfer zurückzukehren. So ging im September 2003 eine Gruppe zurück in ihr Dorf, doch wurde sie mit Waffengewalt von den Sicherheitskräften wieder zur Rückkehr in das neue Siedlungsgebiet gezwungen.

 

8. BETROFFENE WARTEN VERGEBLICH AUF ANGEMESSENE ENTSCHÄDIGUNG

Lahmeyer International hebt den Umfang der an die Betroffenen gezahlten Schadensersatzzahlungen hervor. "Ich kenne kein anderes Projekt in Afrika, wo so viel Geld eingesetzt wurde für die Umsiedlung der Bevölkerung. Die Jungen sahen das positiv und haben die Kompensation gerne genommen, nur die Alten waren etwas sturer", erklärt Egon Failer, Abteilungsleiter Wasserkraft bei Lahmeyer International (Wochenzeitung, Schweiz, 6.4.2006). Auch der sudanesische Minister für humanitäre Angelegenheiten Ibrahim Mahmud Hamid bewertet das Projekt sehr positiv: "Ich denke, es ist eines der am besten organisierten Projekte mit einer optimalen Vorsorge für die Betroffenen"(Nachrichtendienst IRIN, 19.5.2005). "Sie haben schöne Häuser….und es ist sogar besser als in den alten Dörfern…Sie sind großzügig entschädigt worden", erklärt Hamid.

Gemäß dem offiziellen Plan soll jede betroffene Familie Schadensersatz in Form von Geld für Häuser und Dattelpalmen erhalten sowie ein neues Haus und mindestens 3,4 Hektar Land in den neuen Siedlungsgebieten. Weitere 1,7 Hektar Land soll sie für jeden halben Hektar Land erhalten, der entlang des Nils für die Familie verloren geht.

So großzügig diese Schadensersatzzahlungen im ersten Moment klingen mögen, so halten sie bei näherer Betrachtung nicht die in sie gesetzten Erwartungen. Denn für den Verlust einer Dattelpalme ersetzt die MPDIU nur den Ertrag von vier Ernten. Dattelpalmen, die eine wichtige Rolle für die sudanesische Wirtschaft spielen, können jedoch einhundert Jahre lang reiche Ernten bescheren. Besonders gering ist auch die Entschädigung für den Verlust eines Gemüsegartens. Betroffen von dieser Benachteiligung sind vor allem Frauen, die diese Gärten regelmäßig bewirtschaften. Die Frauen werden durch den Verlust ihrer Gärten auch in ihrer finanziellen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit entscheidend getroffen.

Für die Schadensersatzzahlungen sind nicht die am Bau beteiligten Firmen, sondern unmittelbar das sudanesische Finanzministerium verantwortlich. Um Geld zu sparen, bemühen sich die Mitarbeiter des Ministeriums bei der Feststellung der Schäden um eine enge Auslegung der Schadensersatzbestimmungen. So werden für den Verlust von Häusern nur Familien entschädigt. Wer nicht verheiratet ist, erhält kein neues Haus, sondern bekommt nur Land zur Verfügung gestellt. Wer zeitweise außerhalb des Projektgebietes gelebt hat oder als Wanderarbeiter in anderen Regionen sein Glück suchte, bekommt nichts für den Verlust seines Landes oder seines Hauses. Es gibt auch keinen Schadensersatz für Häuser, die nach einer Zählung im Jahr 1999 errichtet wurden. Wer sich weigert, innerhalb von sechs Monaten in das neue Siedlungsgebiet zu ziehen, verliert jeden Anspruch auf Entschädigung, die den Berechtigten in Raten über einen Zeitraum von sechs Jahren ohne Inflationsausgleich gezahlt wird.

 

9. KATASTROPHALE ÖKOLOGISCHE FOLGEN WERDEN BEFÜRCHTET

Im April 2002 erstellte Lahmeyer International eine 150 Seiten umfassende Umweltverträglichkeitsstudie für das Merowe-Megaprojekt. Nach einer am 23. März 2006 veröffentlichten Studie des Schweizerischen Föderalen Instituts für Wasserwissenschaft und Technologie (EAWAG) entspricht der Lahmeyer-Report weder international üblichen Standards noch berücksichtigt er die im Jahr 2000 gemeinsam von Großstaudamm-Bauern und Kritikern verabschiedeten Empfehlungen der "Weltkommission für Staudämme" (Independent Review of the Environmental Impact Assessment fort he Merowe Dam Project, Cristian Teodoru, Alfred Wüest, Bernhard Wehrli, Eawag, Kastanienbaum, Schweiz, 23.3.2006) . Auch sei von dem Unternehmen in Bad Vilbel kein ernsthafter Versuch gemacht worden, das umfangreiche wissenschaftliche Material zur Bewertung der ökologischen Folgen von Großstaudämmen zu nutzen. Vier Jahrzehnte der Recherche über die Auswirkungen des Assuan-Staudammes am Nil in Oberägypten hätten eine dramatische Zunahme von Sediment-Ablagerungen im Oberlauf des Staubeckens sowie eine Verschlechterung der Wasserqualität und negative Folgen für die Bewohner des Flusslaufes unterhalb des Staudammes umfassend dokumentiert.

Folgende ökologische Probleme erwartet die EAWAG nach der Fertigstellung des Merowe-Staudammes:

- Sediment-Ablagerungen: Bis zu 130 Millionen Tonnen Sedimenten werden jedes Jahr in dem Staubecken abgelagert werden. Innerhalb von 50 Jahren wird sich das Wasser-Aufnahmevermögen des Stausees um bis zu 34 Prozent verringern. Somit wird auch die erzeugte Energiemenge deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben.

- Wechselnder Wasserstand: Die Höhe des Wasserstandes wird jeden Tag um bis zu fünf Meter variieren. So wird die Fläche des Stausees jedes Jahr zwischen 350 und bis zu 800 Quadratkilometern schwanken. Dieser starke Gezeitenwechsel wird die Flussufer beeinträchtigen und das Fischen sowie die Bewässerung der Felder erschweren.

- Wasserqualität und Gesundheit: Die Verschmutzung und Zersetzung von organischem Material kann Gesundheitsprobleme für Menschen mit sich bringen, die Fische aus dem Staubecken essen oder dessen Wasser trinken. Auch schaffen solche großen stehenden Gewässer ideale Bedingungen für die Ausbreitung von Mücken, die Malaria oder Gelbfieber übertragen sowie für andere Krankheiten, deren Erreger oder Überträger auf Wasser angewiesen sind.

- Wasser-Ökologie: Die Erhaltung der Biodiversität des Wassers wurde nicht ausreichend untersucht. Der Staudamm wird die Wanderung von Fischen unterbinden. Erosion und wechselnder Wasserstand werden die Laichgründe der Fische und den Lebensraum anderer Organismen beeinträchtigen.

- Klimawandel: Kohlendioxid und Methan werden durch den Zersetzungsprozess von Algen und anderen Mikroorganismen entstehen. Die EAWAG geht davon aus, dass jährlich 200.000 bis 300.000 Tonnen Kohlendioxid aufgrund des Stausees freigesetzt werden. Nach Schätzungen des International Rivers Network wird durch das Merowe-Projekt ungefähr die gleiche Menge an Treibhausgasen freigesetzt wie in einem Erdgasprojekt, das eine ähnliche Menge Energie erzeugt.

- Bewässerung: Auch fehlt es in der Lahmeyer-Studie an Details für eine Planung von Bewässerungsprojekten. Dies ist jedoch bei der Planung von Mega-Staudämmen besonders wichtig. So hatte die Weltkommission für Staudämme festgestellt, dass gerade Bewässerungsvorhaben in trockenen Regionen oft an mangelnder Planung scheitern.

So wird der Merowe-Staudamm massive ökologische Probleme verursachen. Das International Rivers Network forderte daher nach Bekanntwerden der Ergebnisse der EAWAG-Studie eine Aussetzung der Bauarbeiten an dem Megaprojekt. Doch davon wollen weder die sudanesische Regierung noch die Bau-Unternehmen etwas wissen.

 

10. ARCHÄOLOGISCHEN SCHÄTZEN DROHT ZERSTÖRUNG

Der Nil im Norden des Sudan gilt als eines der ältesten Siedlungsgebiete in Afrika und als eine Wiege der Menschheit. Nach Einschätzung des "Nationalen Sudanesischen Verbandes für Antiquitäten und Museen"(Sudanese National Corporation for Antiquities and Museums, NCAM) wird das Merowe-Projekt sowohl direkt archäologische Stätten zerstören als auch indirekt durch Umweltveränderungen in der Region zum Untergang archäologischer Schätze beitragen. Seit dem Jahr 1991 seien von bekannten internationalen Archäologen und der Weltkultur-Organisation UNESCO zahlreiche Exkursionen in die Region unternommen worden, bei denen hunderte archäologische Stätten registriert worden seien, heißt es in einem internen Dokument der NCAM (Sudan Tribune, 29.4.2004). Von großem wert seien Friedhöfe, Gräber, Felszeichnungen, Reste von Siedlungen sowie Forts aus der Zeit des Mittelalters.

So hat ein Rennen gegen die Zeit eingesetzt, um zumindest einige dieser Schätze noch vor ihrem Versinken in den Fluten des Stausees zu bergen. Doch mit ihren Expeditionen wollen die Wissenschaftler nicht nur archäologische Funde sichern, sondern auch Bräuche und Traditionen der in dem Gebiet lebenden indigenen Bevölkerung dokumentieren. Archäologen von der Humboldt-Universität in Berlin trugen seit dem Jahr 2004 Tonnen Wüstensand ab, um Zeugnisse einer 6000jährigen Siedlungsgeschichte freizulegen. Das ausgeklügelte Bewässerungssystem der nun auch von der Umsiedlung bedrohten Volksgruppe der Manasir besteht schon seit Jahrhunderten und ist die Grundlage einer einzigartigen Kulturlandschaft. Schon der deutsche Forscher Fürst Pückler bezeichnete die Region als ein Paradies, als er 1840 zum nahe gelegenen vierten Nil-Katarakt reiste.

Die Wissenschaftler leiden nicht nur unter Zeitdruck, weil alle Arbeiten bis zur Flutung des Stausees im Jahr 2008 abgeschlossen sein müssen, sondern auch unter chronischem Geldmangel. Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund der schwierigen klimatischen Bedingungen nur jedes Jahr von Januar bis März Ausgrabungen durchgeführt werden können. Auch Archäologen des Britischen Museums in London sind an der Bergung der Schätze beteiligt. Regelmäßig treffen sich Wissenschaftler aus aller Welt auf internationalen Konferenzen, um die Ergebnisse ihrer Ausgrabungen im Nordsudan zu vergleichen. Auf einer dritten internationalen Konferenz werden sie Mitte Juli 2006 in Köln ihre Bemühungen zur Rettung der vom Merowe-Staudamm bedrohten archäologischen Schätze vorstellen.

11. LAHMEYERS VERANTWORTUNG FÜR DIE FOLGEN DES MEROWE-PROJEKTES

Lahmeyer International verfolgt nicht nur mit Unverständnis die Kritik an dem Mega-Staudamm, sondern lehnt auch jede Verantwortung für die Folgen des Projekts kategorisch ab. In einem Antwortschreiben auf die Kritik des International Rivers Network hob Lahmeyer am 15. Juli 2005 hervor, dass das Merowe-Staudammprojekt zur besseren Energieversorgung des gesamten Sudan beitragen werde und damit auch friedensstiftende Wirkung entfalten würde. Denn nun könnten auch Regionen, die bislang vernachlässigt wurden und in denen deshalb Gewalt ausgebrochen war sei, entwickelt werden. Eine seltsame Argumentation angesichts der aufgrund des Staudammes eskalierenden Menschenrechtsverletzungen sowie der zu erwartenden sozialen und ökologischen Probleme. Eskaliert doch schließlich diese Gewalt aufgrund eines Großprojektes, für das Lahmeyer als Generalunternehmer und verantwortlicher Planer und Berater fungiert.

Wie befremdend Lahmeyers Wahrnehmung der Bemühungen der Betroffenen um eine angemessene an der Planung und dem Bau des Mega-Projekts ist, macht ein Antwortschreiben des deutschen Unternehmens an das International Rivers Network vom 3. Mai 2006 deutlich, in dem die Firma zu den Vorwürfen Stellung nimmt, sudanesische Sicherheitskräfte seien für ein Massaker an Staudamm-Kritikern am 22. April 2006 verantwortlich. Ohne sich die Mühe zu machen, sich vor Ort selber bei den Betroffenen ein Bild von der sich verschlechternden Sicherheitslage zu machen, geht Lahmeyer in seinen Anschuldigungen gegen die Amri-Volksgruppe sogar noch weiter als der lokale Polizeichef. So behauptet die Firma, die Schüsse seien zur Verteidigung abgegeben worden, als bewaffnete Amri ein von zehn Polizisten begleitetes Team angegriffen hätten, das Schadensersatz-Zahlungen erfassen sollte. Sogar der lokale Polizeichef hatte den Amri nicht unterstellt, bewaffnet gewesen zu sein. Auch belegen Fernsehaufnahmen, die von dem Nachrichtensender Al Jazeera ausgestrahlt wurden, dass sudanesische Soldaten auf Bauern schossen, die in ihrer traditionellen Arbeitskleidung angezogen waren. Journalisten, die unmittelbar nach dem Massaker das Gebiet besuchten, konnten keine Spuren von Kämpfen zwischen Amri feststellen, die laut Lahmeyer dem Angriff auf die Polizei vorausgegangen sein sollen.

Während Lahmeyer International in seiner Ignoranz gegenüber den Problemen der von dem Staudammbau betroffenen Bevölkerung noch die sudanesische Regierung übertrifft, äußerte das ebenfalls an dem Projekt beteiligte Schweizer Unternehmen ABB gegenüber offiziellen sudanesischen Stellen seine "Betroffenheit" über die "gewalttätigen Vorfälle"

im April 2006. ABB habe eine vollständige Aufklärung und Veröffentlichung der Ergebnisse der Untersuchung gefordert, teilte das Unternehmen mit. Das Sudan-Engagement der ABB war zuvor von fünf US-amerikanischen Pensionskassen, die ABB-Aktien halten, massiv kritisiert worden. Die institutionellen Anleger hatten angekündigt, ihre ABB-Anteile zu verkaufen, sollte sich der Konzern nicht aus dem Sudan zurückziehen.

Nach Auffassung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ist Lahmeyer International moralisch mitverantwortlich für die schweren Menschenrechtsverletzungen, die Zwangsumsiedlungen und willkürlichen Verhaftungen sowie für die unabsehbaren sozialen und ökologischen Folgen des Merowe-Projekts. Denn als Generalunternehmer, führender Planer und Berater der sudanesischen Behörden sowie als Verfasser einer unzureichenden Umweltverträglichkeitsstudie kann sich das Unternehmen nicht länger hinter der Verantwortung der sudanesischen Regierung verstecken. Planung und Umsetzung des Projektes greifen sowohl zeitlich, als auch innerlich ineinander, so dass Lahmeyer auch nicht behaupten kann, heute nicht mehr in Entscheidungsprozesse in der Merowe-Region eingebunden zu sein.

Auch eine gewisse Arbeitsteilung schützt nicht vor einer moralischen Mitverantwortung. So erklärte sich der französische Erdöl-Konzern TOTAL nach verschiedenen Klagen von Burmesen vor US-amerikanischen Gerichten im November 2005 bereit, Opfern von Zwangsarbeit beim Bau einer Pipeline für das Unternehmen in Burma Millionen Euro Schadensersatz zu zahlen. Bis heute bestreitet der Konzern, von den massiven Menschenrechtsverletzungen durch burmesische Soldaten Kenntnis gehabt zu haben. Lahmeyers Verhalten im Sudan geht nach Auffassung der GfbV noch weiter als das Fehlverhalten des TOTAL-Konzern. Denn spätestens mit seiner jüngsten Rechtfertigung der Todesschüsse vom 22.April 2006 auf unbewaffnete Staudamm-Kritiker deckt das deutsche Unternehmen nach unserer Auffassung schwere Menschenrechtsverletzungen sudanesischer Sicherheitskräfte.

 

12. EMPFEHLUNGEN DER GESELLSCHAFT FÜR BEDROHTE VÖLKER

- Wir appellieren an Lahmeyer International, dem Beispiel des ABB-Konzerns zu folgen, und eine umfassende Untersuchung der Hintergründe des Massakers vom 22. April 2006, eine Veröffentlichung dieser Ergebnisse sowie eine unverzügliche Bestrafung der Verantwortlichen zu verlangen,

- Wir fordern Lahmeyer auf, sich für eine angemessene Entschädigung aller vom Bau des Merowe-Staudammes Betroffenen sowie für eine offizielle Anerkennung der Interessensvertretung der Betroffenen durch die sudanesischen Behörden einzusetzen,

- Auch appellieren wir an das deutsche Unternehmen, die betroffenen Amri, Hamadab und Manasir an der weiteren Planung und Umsetzung des Staudammprojektes umfassend durch ihre von ihnen anerkannten Interessenvertreter zu beteiligen,

- Lahmeyer sollte sich dafür einsetzen, dass die in der Region lebende Bevölkerung nicht zwangsweise umgesiedelt wird, sondern an Orten ihrer Wahl neu angesiedelt wird,

- Auch sollte sich das Unternehmen für eine großzügige Förderung der archäologischen Grabungen in der Region engagieren, um vor der Flutung die Zerstörung archäologischer Schätze zu verhindern.