18.07.2007

Ausgegrenzt: Roma

Mazedonien

aus: bedrohte völker_pogrom 241, 2/2007
In allen Staaten des östlichen und südöstlichen Europa – in Ungarn, Tschechien, Slowenien, in der Slowakei, Rumänien, Bulgarien, Mazedonien, Serbien, Albanien, im Kosovo und in Bosnien stellen die Roma größere Anteile der Bevölkerung. Sie sind unterprivilegiert, häufig verelendet und werden oft diskriminiert. Aus dem Kosovo wurden Roma und Aschkali von der albanischen Mehrheitsbevölkerung vertrieben, in Bosnien waren sie gemeinsam mit den bosnischen Muslimen Opfer des Genozids.

Interview mit Asmet Elezovski, Vorsitzender des National Roma Centrum – Kumanovo in Skopje/Skoplje, Mazedonien

Gibt es einen Schlüssel für die Probleme der Roma?

Meine These ist: Roma sind kein soziales, sondern ein politisches Problem in Makedonien. Wenn ich kein Recht auf einen guten Job habe, wenn ich meinen Kindern ganz normale Chancen nicht bieten kann - etwa dass sie auf eine normale Schule gehen können, wo bleiben mir als Rom dann Rechte? Es geht hier um den permanenten Zustand der Diskriminierung. Viele Nicht-Roma nehmen dich einfach nicht wahr, weil deine Hautfarbe dunkler ist.

Vor den Wahlen wird uns immer sehr viel versprochen, danach ist dann alles schnell wieder vergessen. Wir haben jetzt das "Jahrzehnt der Roma". Makedonien hat dazu eine nationale Strategie vorgelegt. Aber in der Realität geschieht nichts. Der Staat ist übrigens auch mit der deutschen Regierung in Kontakt. Alle Roma in deutschen Asylverfahren könnten zurückgebracht werden, wir werden ihnen Arbeit geben, heißt es und so weiter. Das sind alles nur leere Versprechungen.

Ich mag dieses Land, sonst wäre ich nicht hier. Aber was ich nicht leiden kann, ist der gegenwärtige Manipulationsprozess. Es gibt Korruption. Nicht von ganz oben, sie ist unten verbreitet, in der Verwaltung zum Beispiel.

Was könnte von außen zur Verbesserung der Lage der Roma getan werden?

Es muss einen intensiven Dialog zwischen unseren Roma-Organisationen und der Regierung geben. Wenn Makedonien sich um Aufnahme in die EU bemüht, muss sie die notwendigen Standards erfüllen und das ist richtig so. Offiziell gibt es einen Aktionsplan, doch wie steht es mit der Implementierung? Wir hören keine positive Antwort, sehen keine positive Handlung. Ist das Dokument nur Reklame ? Warum werden die verschiedenen Punkte, etwa zur Migration oder zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Roma nicht bearbeitet?

Ein Runder Tisch wäre hilfreich, ein wirklicher Dialog mit Roma-Repräsentanten und verantwortlichen Persönlichkeiten aus der Regierung. In diesem Dialog sollte geprüft werden, wo die wirklichen Hindernisse sind und vor allem, warum nichts geschieht.

Das Standardargument der makedonischen Regierung ist immer: Wir möchten gern die Lage verbessern, doch wir haben kein Geld. Ich hab es satt, es mir wieder und wieder anzuhören. Ich möchte etwas Konkretes erfahren. Es ist genug mit der großen Show. Es geht um die Zukunft unserer Kinder. Ich beobachte vor allem die Diskriminierung und auch den Rassismus, der weiter zunimmt. Wenn ich beispielsweise im Bildungsministerium vorstellig werde, lobt man mich manchmal, ich sei ein "good guy", aber das reicht nicht, ich will endlich ein akzeptierter Partner sein.

Haben Sie in Makedonien überhaupt Partner auf Augenhöhe?

Auf Gemeindeebene ja, auf höherer Ebene nicht, was für uns letztlich viel wichtiger wäre. Es wäre für uns Roma von großem Vorteil, wenn wir eine Einrichtung, eine Art Agentur ("agency") hätten, die sowohl über Finanzmittel verfügte als auch eine Strategie für Planung und zur Umsetzung erarbeiten könnte und dies verlässlich und langfristig und nicht nur für ein Jahr.

Für die Roma ist eine Dekade nicht genug, drei wären wohl nötig, um einmal eine zeitliche Dimension anzusprechen. Wie können wir die Lage der Roma verändern, wenn sie so weit unten sind. Sie sind meist arm, haben wenig Bildung, viele haben keine Dokumente, sind noch nicht einmal bei den Behörden registriert.

Wer könnte in Makedonien denn Partner auf den höheren Ebenen sein?

Wir haben zwei Roma-Abgeordnete im Parlament, wir haben Bürgermeister, einen stellvertretenden Minister, aber wir haben keinen, der in den wichtigen Fragen die Entscheidungen auch in der Hand hat. Es wäre auch sehr wichtig, wenn Roma in einigen Universitätsfakultäten Professoren und Dozenten stellen würden. Die Universitäten sind im Prinzip auch bereit sich zu öffnen, aber es sind die politischen Institutionen, die auch hier wieder blockieren. Ja, Politik ist ein großes Spiel.

In Makedonien gibt es viele Nichtregierungsorganisationen, von denen einige auch das Thema Roma auf ihrer Agenda führen.

All die verschiedenen Organisationen, ebenso wie die Medien, sehen fast immer nur auf Suto Orizari (Shutka). Dies ist ein großer Fehler. Roma leben nicht nur dort, sondern konzentrieren sich beispielsweise auch in den Altstädten, wo Armut wirklich spürbar ist.

Es gibt noch einen besonders kritischen Punkt zur Arbeit der NGOs anzumerken. Meist sind ihre Projekte eng begrenzt, bei ihrer Planung sind die Roma nicht einbezogen und darüber hinaus werden darin in der Regel nur wenige Roma beschäftigt. Grundsätzlich scheinen die Geberorganisationen keine Ressourcen bereitstellen zu wollen, damit sich unser Volk selbst besser organisieren kann. Doch genau dies ist nötig. Ohne Emanzipation und Selbstorganisation gibt es keinen wirklichen Weg aus der Armut.

Kontakt: Nacional Roma Centrum/Nacionalni Romski Centar

Vorsitzender: Asmet Elezovski

Asmet Elezovski

Tel./ Fax:+38931427558

Mobil +38970258595

E-mail: elezovski@nationalromacentrum.org

Internet: www.nationalromacentrum.org

Interview: Kajo Schukalla und Monika Többe-Schukalla,