15.09.2005

Aus einer Rede der Vorsitzenden des Inuit-Zusammenschlusses "Inuit Circumpolar Conference” Watt-Cloutier

New York im April 2005

"Die Arktis ist wunderschön. Sie ist keine Wildnis, denn fast jeder Quadratkilometer ist genutzt, bekannt und benannt. Inuit-Jäger reisen Hunderte von Kilometern auf der Jagd nach Robben, Walrossen, Eisbären, Walen und Karibus. Unser reiches und lebendiges traditionelles Wissen wird von Generation zu Generation weitergegeben. Aber die Arktis ist auch zerbrechlich und verletzbar. Die globale Erwärmung verändert unsere Umwelt, die Globalisierung verändert unsere Wirtschaft und die Kommunikationstechnologie verändert unsere Perspektive.

Inuit kämpfen, um ihren rechtmäßigen Platz in der Welt zu finden; einen Platz, der uns Respekt und Sicherheit bietet. Außerdem wollen wir unbedingt einen Beitrag für die weite Welt leisten. Das ist wichtig, da unsere Fähigkeit zu fischen, zu jagen und Fallen zu stellen – unsere Kultur zu leben – heftig von den Umwelteinflüssen in der Arktis, durch Verschmutzungen und im Süden ausgestoßene Treibhausgase, beeinflusst wird. (…) Mein Heimatland schmilzt. Der von über 300 Wissenschaftlern aus 15 Ländern unter einem amerikanischen Vorsitz hergestellte und sich auf Inuit-Wissen stützende Arktis-Klimareport (ACIA) sagt, dass Klimawandel in der Arktis zum jetzigen Zeitpunkt stattfindet. Was wir heute erfahren, werden Sie morgen erfahren. Die Arktis ist das Klimawandel-Barometer , und die Inuit sind das Quecksilber in diesem Barometer. Der Report sagt den massiven Rückgang des Sommer-Eises und das Verschwinden der Eisbären, Walrosse und einiger Robben- und Seevögelarten innerhalb der Lebenszeit meines Enkels voraus.

Die Klimaveränderung ist die letzte Bedrohung für meine ohnehin herausgeforderte Kultur. Dabei geht es um Kinder und Familien und um die Zukunft unserer Gemeinschaften. (…) Der Klimawandel verbindet uns alle. Wenn die Arktis schmilzt, werden niedrig liegende Gebiete überflutet. Es geht um eine Angelegenheit, die uns zwingt, unsere miteinander geteilte Menschlichkeit wahrzunehmen und unsere gemeinsame Verpflichtung für das Wohlergehen des Planeten.

Geographisch schlägt die Arktis eine Brücke von Nordamerika über Europa nach Russland, und so machen wir Inuit es auch. In wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht schlagen wir eine Brücke zwischen der entwickelten und der sich entwickelnden Welt. So müssen wir Beziehungen knüpfen, Perspektiven schaffen und Koalitionen aufbauen, um einen global verantwortlichen Weg einzuschlagen, der auf unserer kollektiven Weisheit und unseren Verbindungen zueinander gebaut ist."

Im Original (englisch):

From a speech of Sheila Watt-Cloutier, Chair of the "Inuit Circumpolar Conference” in New York, April 2005

"The Arctic is magnificent. It is not wilderness for almost every square kilometer is used, known, and named. Inuit hunters travel hundreds of kilometers for seals, walrus, polar bear, whales, and caribou. Our rich and vibrant traditional knowledge is passed forward from generation to generation. But the Arctic is also fragile and vulnerable. Global warming is changing our environment, globalization is changing our economy, and communications technology is changing our perspective.

Inuit are struggling to find their rightful place in the world; a place that affords us respect and security. As well, we are eager to make a contribution to the wider world. This is important, for our ability to hunt, fish, and trap – to live our culture – is heavily influenced by the environmental impacts in the arctic of contaminants and greenhouse gases released far to the South. (...) My homeland is melting. The Arctic Climate Impact Assessment (ACIA) prepared by more than 300 scientists from 15 countries under an American Chair, and drawing upon Inuit traditional knowledge, says climate change is happening in the Arctic now. What we are experiencing today you will experience tomorrow. The Arctic is the world’s climate change barometer, and Inuit are the mercury in that barometer. This assessment projects massive depletion of summer sea-ice, with the virtual disappearance of polar bears, walrus, and some species of seals and marine birds within the lifetime of my grandson.

Climate change is the ultimate threat to my already challenged culture. It is about children and families, and the future of our communities. (...) Climate change connects us all. As the Arctic melts low-lying areas flood. It is an issue that compels us to recognize our shared humanity and deepen our shared commitment to the well-being of the planet.

Geographically, the Arctic bridges North America, Europe, and Russia, so do we Inuit. In economic and social terms we also bridge the developed and developing worlds. So, we must build relationships, perspectives, and coalitions to chart a globally responsible path that draws upon our collective wisdom and the connections that bind us together.”