10.03.2006

Appell an EU-Außenminister: Angriffskrieg und Vertreibung nicht belohnen! Teilung Bosnien-Herzegowinas darf nicht zementiert werden!

Informelles EU-Außenministertreffen in Salzburg (10.-11.3.)

Die Gesellschaft für bedrohte Völker wendet sich anlässlich des informellen EU-Außenministertreffens in Salzburg am 10. und 11. März 2006 mit einem Schreiben folgenden Wortlauts an

 

- die Außenminister der Europäischen Union

- den Sonderkoordinator des Südosteuropa-Stabilitätspaktes der EU

Erhard Busek

- den Internationalen Bosnien-Beauftragten Christian Schwarz-

Schilling

- den UNO-Sondergesannten für den Kosovo Martti Ahtisaaari

- die Außenminister der Länder des ehemaligen Jugoslawien:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

Sie werden am kommenden Samstag über die Annäherung der so genannten Westbalkan-Staaten an die Europäische Union und u.a. über den Status des Kosovo diskutieren.

 

Die Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV) verfolgt mit Sorge den Verlauf der Verhandlungen über die geplanten Verfassungsänderungen in Bosnien-Herzegowina, die unter Ausschluss der bosnischen Wählerschaft sowie der internationalen Öffentlichkeit geführt werden. Nach bisher durchgesickerten Informationen wird versucht, der Republik Bosnien-Herzegowina die im Dayton-Abkommen von westlichen Großmächten und den autoritären Milosevic- und Tudjman- Regimes oktroyierte Übergangsverfassung zu zementieren. In Dayton (November 1995) und in Paris (Dezember 1995) wurde der serbischen Täterseite 48% des ethnisch gesäuberten Territoriums Bosniens zugesprochen und fortan als Republik Srpska bezeichnet.

 

In diesen Regionen Nord-, West- und Ostbosniens befanden sich die serbischen Konzentrations- und Vergewaltigungslager, fanden zahlreiche Massaker an der Zivilbevölkerung, unter anderem in Srebrenica, statt, wurden eingeschlossene Städte zum Teil vier Jahre lang bombardiert, wurden 1 347 Moscheen und Medresen zerstört und bisher 324 Massengräber exhumiert, wurde die nichtserbische Hälfte der Bevölkerung gnadenlos vertrieben.

 

Mit dem neuen Versuch, die Ergebnisse von Genozid und Aggression für immer festzuschreiben wird die internationale Gemeinschaft endgültig den multireligiösen und multiethnischen Charakter des Landes Bosnien-Herzegowina zerstören, dessen angebliche Wiederherstellung sie ständig beschwört. Weil serbische Mitverantwortliche für den Völkermord die so genannte Republik Srpska bis heute kontrollieren, beträgt die Zahl der zurückgekehrten Nichtserben dort nur 5-8% der Bevölkerung. Vor dem Krieg befanden sich dort etwa eine dreiviertel Million serbische und nichtserbische Bosnier.

 

Mit der Zementierung der absurden Teilung eines Landes mit einer achthundertjährigen Geschichte droht die internationale Gemeinschaft das Regime von Slobodan Milosevic zu rehabilitieren, das sich seit dem27. Februar 2006 vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen Völkermord und Angriffskrieg verantworten muss.

 

Die GfbV Internationale appelliert dringend an Sie, die künstliche Teilung der Republik Bosnien-Herzegowina zu beenden, die "Republika Srpska" sowie die "Bosnisch-Kroatische Föderation" aufzulösen und deren Kompetenzen an die bisherigen 48 Großgemeinden (Opstinas) sowie an die derzeit weitgehend funktionsunfähige Zentralregierung zu delegieren.

 

Mit freundlichem Gruß

 

gez. Tilman Zülch André Rollinger

Präsident Vizepräsident