06.06.2005

37. Jahreshauptversammlung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am 04./05. Juni 2005 in Göttingen

Umweltminister Trittin befürchtet dramatisches Ansteigen der Zahl von Umweltflüchtlingen

Zum Auftakt der 37. Jahreshauptversammlung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Sonnabend in Göttingen hat Bundesumweltminister Jürgen Trittin vor einem dramatischen Ansteigen der Zahl von Umweltflüchtlingen durch Klimawandel auf bis zu 100 Millionen Menschen innerhalb der nächsten 20 Jahre gewarnt. Vor rund 200 Menschenrechtlern aus aller Welt betonte er: "Für diese Flüchtlinge stellt sich in der Regel die Frage der Rückkehr nicht." Doch auch Raubbau und Abholzung der tropischen Regenwälder bedrohe vor allem Ureinwohner massiv. Mord und Vertreibung seien auch mit dem Kampf um Trinkwasser eng verbunden. Er forderte ein Gesetz zum Schutz der Urwälder und die Zertifizierung von Holz, um den illegalen Holzeinschlag und den Verkauf dieses "Diebesgutes" zu erschweren.

 

Der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch kritisierte, dass aus Deutschland wieder Flüchtlinge auch in Krisengebiete abgeschoben werden wie Roma und Aschkali aus dem Kosovo oder tschetschenische Familien nach Russland. Ein Drittel der Deutschen habe Angehörige, die selbst Flucht und Vertreibung erleben mussten . "Trotzdem werden wieder Tausende zu Vertriebenen gemacht, die bei uns Schutz und Heimat gefunden haben", sagte Zülch. "Zusammen mit ihren häufig bei uns geborenen Kindern müssen sie Deutschland verlassen. Gleichzeitig wird über die unermesslichen Gefahren einer schrumpfenden deutschen Bevölkerung lamentiert."

 

Der Repräsentant des irakischen Bundesstaates Kurdistan, Dilshad Barzani, dankte der GfbV für 30 Jahre "unbeirrten Einsatz" für die Kurden. "Neben der Hilfe für die Giftgasflüchtlinge aus dem irakischen Kurdistan in türkischen Lagern war es wohl die größte und nachhaltigste Leistung der GfbV, das bis dahin größte und wirksamste Hilfsprogramm für die verwaisten Familien des Barzan Gebietes durchgesetzt zu haben: Hier ist es gelungen, mehr als 2000 Familien, deren Männer zuwischen 12 und 90 Jahren von Saddam ermordet worden waren, wieder in 30 wiederaufgebaute Dörfer und so in eine menschenwürdige Umgebung aus den Lagern zurückzusiedeln." Barzani forderte auf der unter starkem Sicherheitsschutz stehenden zweitägigen GfbV-Jahreshauptversammlung einen engagierten Beistand der Menschenrechtler bei der Bildung einer demokratischen, fairen und gerechten Zivilgesellschaft in seinem Land.

 

Am Sonntag verleiht die GfbV ihren Victor-Gollancz-Preis an den russischen Menschenrechtler Sergej Kowaljow und den Krimtataren Mustafa Dschemilew. Sie werden von Milan Horacek (MdEP) und der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, gewürdigt. Der GfbV-Menschenrechtspreis ist nach dem britisch-jüdischen Humanisten, Schriftsteller und Verleger Victor Gollancz benannt, der sich 30 Jahre lang gegen Faschismus und Nationalsozialismus eingesetzt hat. Er dokumentierte schon 1933 NS-Verbrechen und organisierte nach Kriegsende humanitäre Hilfe für deutsche Vertriebene. Der Victor-Gollancz-Preis wird in diesem Jahr zum vierten Mal vergeben. Er ist mit 5.000 Euro dotiert.