28.09.2005

3. TSCHETSCHENIEN STIRBT!

Die Parteien zu unserem Wahlprüfstein 3

Wir fragten:

Welche Initiativen werden Sie für die Wiederherstellung des Friedens in Tschetschenien entwickeln? Welche Maßnahmen könnte Deutschland ergreifen, um die Verfolgungen und Morde in Tschetschenien zu beenden?

Antwort für die CDU

Markus Lackamp

Die Union hat die kritiklose Politik der derzeitigen Bundesregierung und insbesondere Bundeskanzler Schröders gegenüber den Vorgängen in Tschetschenien stets kritisiert. Beispielsweise hat der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Friedbert Pflüger MdB, in seiner Rede zum Tschetschenienkonflikt in der Bundestagsdebatte vom 3. Dezember 2004 ausgeführt:

"Natürlich muss man hart gegen Terroristen vorgehen, aber doch nicht gegen das ganze tschetschenische Volk. ... Von russischer Seite wird nicht mehr zwischen dem nationalistischen Widerstand, den Islamisten und dem tschetschenischen Volk unterschieden. Es gibt keinen Spielraum für Verhandlungen, keinen Spielraum für internationale Vermittlungen."

Die Union hat stets erklärt, dass wir Russlands legitimes Recht auf Aufrechterhaltung der territorialen Integrität ebenso selbstverständlich respektieren wie die Bemühungen Präsident Putins um die Schaffung stabiler politischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Niemand kann ein Interesse an einer Destabilisierung der Russischen Föderation haben. Zugleich hat die Union aber auch immer wieder deutlich gemacht, dass eine rein militärische Lösung des Tschetschenien-Konflikts nicht möglich sein wird. Notwendig ist eine politische Lösung.

Eine Lösung des Konflikts kann aber nicht von außen erreicht werden, wenn die Konfliktparteien nicht gewillt sind, Unterstützung von außen zu akzeptieren. Die Union schlägt deshalb vor, mit dem Europarat oder der OSZE an einem runden Tisch den Versuch zu unternehmen, neben der Härte gegen Terroristen, die auch wir befürworten, gemeinsam mit seriösen Verhandlungspartnern auf tschetschenischer Seite, die auch von der tschetschenischen Bevölkerung akzeptiert werden, nach Lösungen und Wegen aus dem Konflikt zu suchen, die einerseits Tschetschenien mehr Autonomie bringen, aber andererseits die Anerkennung der Zugehörigkeit zur russischen Föderation garantiert.

Um das Klima für mögliche Verhandlungen zu verbessern, regen wir an, Unterbringungsmöglichkeiten und Zugang zu humanitärer Hilfe für tschetschenische Flüchtlinge innerhalb und außerhalb Tschetscheniens zu verbessern. Tschetschenische Flüchtlinge sollten nicht durch Zwangmaßnahmen nach Tschetschenien zurückgeführt werden. Weiterhin schlagen wir vor, dass russischen und ausländischen Journalisten eine ungehinderte Berichterstattung aus Tschetschenien ermöglicht wird. Ebenso sollte die OSZE wieder eine Beobachter-Mission nach Tschetschenien entsenden dürfen. Beide Maßnahmen könnten dazu beitragen, die Lage in Tschetschenien transparenter zu machen und damit durch die öffentliche Aufmerksamkeit einen mäßigenden Einfluss auf alle Beteiligten zu entfalten.

Antwort für die SPD

Gernot Erler:

Der Tschetschenienkonflikt ist in der Tat einer der tragischsten, der sich zur Zeit auf dem europäischen Kontinent abspielt. Es wäre vermessen zu behaupten, dass es irgendjemanden gibt auf dieser Welt, der über ein Patentrezept zur Lösung dieses langjährigen Konflikts verfügt. Die Bundesregierung und ich persönlich bemühen uns seit vielen Jahren, die russische Seite davon zu überzeugen, dass Voraussetzung für eine Konfliktlösung die Beachtung der Menschenrechte bei der Verfolgung von Straftätern, seien es Terroristen oder gewöhnliche Kriminelle, ist. Solange das Fehlverhalten von Angehörigen russischer Sicherheitskräfte nicht oder nur unzureichend geahndet wird, wird es der russischen Führung auch nicht gelingen, das verloren gegangene Vertrauen der Bevölkerung in Tschetschenien wieder herzustellen.

Deutschland und die Europäische Union haben Russland eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet, um gemeinsam aus dem Teufelskreis der Gewalt herauszukommen. Dazu gehört das Angebot der grenzüberschreitenden Kooperation in Anlehnung an Erfahrungen aus dem Stabilitätspakt Südosteuropa, der Ausbildung lokaler und regionaler Verwaltungsbeamter und praktische technische Hilfe zur Wiederherstellung der Infrastruktur. Der kürzlich begangene erste Jahrestag des Geiseldramas von Beslan, dem über 300 Menschen, darunter 186 Kinder, zum Opfer fielen, mahnt uns, nichts unversucht zu lassen, eine friedliche Lösung des Tsch-tschenienkonflikts herbeizuführen.

Antwort für Bündnis90/Die Grünen

Joschka Fischer:

Dem Krieg in Tschetschenien sind seit 1999 über 100.000 Menschen zum Opfer gefallen, die Stadt Grosny wurde vollständig zerstört, ein großer Teil der Dörfer wurde dem Erdboden gleichgemacht. Zahllose Zivilisten wurden ermordet, gefoltert, deportiert oder vertrieben. Die tschetschenische Gesellschaft ist mit diesem Krieg weitgehend zerstört und in Teilen durch das erfahrene Trauma brutalisiert worden. Als Bedrohung auch der regionalen Sicherheit erfordert der Krieg in Tschetschenien ein aktives Engagement der Staatengemeinschaft, um Russland und die tschetschenische Gesellschaft vom Weg einer friedlichen Konfliktlösung zu überzeugen. Wir fordern alle beteiligten Kräfte, insbesondere die russische Regierung auf, nach einer politischen Lösung zu suchen, die von der tschetschenischen Bevölkerung akzeptiert und aktiv mitgetragen wird. Solange die russische Politik in Tschetschenien auf Gewalt gegen große Teile der Bevölkerung baut, einschließlichschwerer Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte und paramilitärische Banden, wird sich die Gewaltspirale weiterdrehen und werden terroristische Gruppen neuen Zulauf bekommen. Auch die alltägliche Diskriminierung und Schikanierung von Tschetschenen und "Kaukasiern" in Russland muss aufhören. Wir fordern die Menschen in Tschetschenien und die tschetschenischen Flüchtlinge ihrerseits auf, offen für politische Lösungen zu sein. Damit wird auch dem Terrorismus der Boden entzogen.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern die Bundesregierung auf, in ihrem Dialog mit der Regierung von Wladimir Putin weiterhin darauf zu drängen, dass

• bei der Bekämpfung des Terrorismus die Grundlagen des Völkerrechts und die Menschenrechte nicht weiter verletzt werden;

• sorgfältig zwischen potenziell verhandlungsbereiten Separatisten einerseits und Terroristen andererseits unterschieden wird und alle Möglichkeiten des Dialoges mit politischen Gruppen genutzt werden;

• mit einer Geste des Vertrauens und der Versöhnung gegenüber der tschetschenischen Bevölkerung ein neuer Weg zur Lösung der Probleme im Kaukasus eingeschlagen wird; • alle Vertreter der russischen Staatsorgane, insbesondere der Armee und der Geheimdienste in Tschetschenien auf die strikte Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet und Verbrechen, die von Vertretern staatlicher Organe begangen werden, in öffentlichen Verfahren aufgeklärt sowie Schuldige verurteilt werden;

• dringend die Unterbringungsmöglichkeiten und der Zugang zu humanitärer Hilfe für tschetschenische Flüchtlinge innerhalb und außerhalb Tschetscheniens wesentlich verbessert werden sowie auf die Ausübung jeglichen Zwanges auf tschetschenische Flüchtlinge zur Rückkehr nach Tschetschenien verzichtet wird;

• russischen und ausländischen Journalisten ungehinderte Berichterstattung aus Tschetschenien ermöglicht wird;

• die Verfolgung von Menschenrechtsverteidigerlnnen und die Repressionen gegenüber russischen NGOs eingestellt werden;

• der OSZE die Rückkehr ihrer Beobachter-Mission und konstruktive Unterstützung bei ihrer Arbeit angeboten wird;

• künftige Wahlen in Tschetschenien nach internationalen Standards vorbereitet und durchgeführt sowie internationale Wahlbeobachtung ermöglicht werden;

• die Idee eines vom Europarat moderierten "Strasbourg Round Table" zum

Gedankenaustausch mit politischen Parteien und Politikern aus der

Tschetschenischen Republik aufgegriffen wird;

• jede Lösung des Tschetschenien-Konflikts nur mit Zustimmung und nicht gegen den Willen der tschetschenischen Bevölkerung erfolgreich sein kann.

Diese Forderungen, aufgestellt im Oktober 2004, haben Bündnis 90/ Die Grünen seitdem in die Debatten im Bundestag eingebracht und werden das auch weiter tun.

Antwort für die Linkspartei.PDS

Sabine Woop bzw.Claudia Gohde/ Wahlquartier 2005:

Die Linkspartei.PDS hat sich entschieden gegen die verschiedenen Kriege der russischen Regierung in Tschetschenien gewandt. Sie hat als einzige Bundestagspartei vor der russischen Botschaft demonstriert. Sie hat die Aktionen der russischen Soldatenmütter gegen den Krieg unterstützt. Sie setzt sich auch heute entschieden für eine politische Lösung des Konflikts ein. Nicht zu übersehen ist, dass sich die Kriegshandlungen über die Jahre von beiden Seiten radikalisiert haben und auf das Leben der Zivilbevölkerung wenig Rücksicht genommen wird - siehe die verschiedenen Terrorakte auf Krankenhäuser, Theater und Schulen. Dort muss die Staatsmacht das Leben der Zivilbevölkerung schützen und Blutvergießen zu vermeiden suchen. Das Thema Tschetschenien muss in den deutschrussischen Beziehungen präsent bleiben. An der Forderung nach gewaltfreien Lösungen und Einhaltung der Menschenrechte muss die deutsche Regierung festhalten. Sie ist an alle Beteiligten in diesem Konflikt zu richten. Die russische Seite muss wissen, dass es gedeihliche Beziehungen beeinträchtigt, wenn sie solche Forderungen missachtet. Deutschland kann jedoch in dem Konflikt selbst nicht Partei sein. Wirtschaftssanktionen bringen nach unseren Erfahrungen wenig Effekt.

Anbei Beispiele für Erklärungen der PDS zur Tschetschenienfrage.

www.sozialisten.de/presse/presseerklaerungen/view_html

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