03.11.2009

255 Rückübernahmeabkommen mit dem Kosovo bringt Roma in Gefahr

Deutschland will Roma-Flüchtlinge loswerden

Seit dem 1. April 2009 können Roma von Deutschland in den Kosovo abgeschoben werden. Vorher war dies nicht möglich – aus gutem Grund: Ende der 1980er Jahre flohen zehntausende Roma aus dem Kosovo, als sie nach Aufhebung der politischen Autonomie dort Opfer der Diskriminierungen des Regimes Milosevic wurden. Eine zweite Flüchtlingswelle folgte 1999. Diesmal wurden sie nach dem Einmarsch der NATO-Truppen von albanischen Nationalisten vertrieben. Nach Jahren der Repressionen, Vertreibungen, Folter, Entführungen und Morde leben von den ursprünglich rund 150.000 Roma heute nur noch etwa 15.000 im Kosovo.

In Deutschland leben derzeit rund 35.000 Roma-Flüchtlinge aus dem Kosovo, davon 11.500 ohne gesicherten Aufenthalt. Sie alle sind nun von der Abschiebung bedroht, weil die Ausländerbehörden davon ausgehen, dass sich die Lage im Kosovo – trotz gegensätzlicher Erkenntnisse vieler Nichtregierungsorganisationen und Beobachter – stabilisiert hat und alle Flüchtlinge schrittweise auch zwangsweise zurückgeführt werden können.

Zurzeit fehlen im Kosovo die notwendigen Rahmenbedingungen für eine Rückkehr in Sicherheit und Würde. Die Arbeitslosigkeit unter den Roma liegt bei nahezu 100 Prozent (unter der albanischen Mehrheitsbevölkerung liegt sie bei 43 Prozent). Die grundlegenden Menschenrechte der Roma in den Bereichen Arbeit, Bildung, Gesundheits- und Wohnungswesen sowie Sozialleistungen können für Roma nicht garantiert werden – obwohl sich die kosovarische Regierung verpflichtet hat, die Europäische Menschenrechtskonvention kraft Verfassung in der Republik Kosovo anzuwenden. So bleiben Roma im Kosovo bis heute ausgegrenzt und diskriminiert.

Die 75 Dörfer und Stadtteile der Roma im Kosovo wurden während des Kosovo-Krieges vollständig zerstört, genau wie 14.500 zuvor von den Albanern geplünderte Häuser. Nur etwa 500 von diesen wurden bislang wieder aufgebaut. Zudem verfügen viele Roma über keinerlei Eigentumspapiere, sodass sie ihre Grundstücke nicht zurückerhalten. Auch dort, wo die wieder aufgebauten und intakten Häuser stehen, fehlt es an der benötigten Infrastruktur. Außerdem mangelt es an Transportmöglichkeiten für Roma-Kinder, ihre medizinische Versorgung ist katastrophal.

Seit 1999 müssen in den Flüchtlingslagern in Nord-Mitrovica/Mitrovicë die Angehörigen der Roma und Aschkali – unter ihnen 200 Kinder unter zehn Jahren – ausharren, nachdem sie im selben Jahr im Zuge des Kosovo-Krieges aus ihren Häusern im Süden von Mitrovica/Mitrovicë vertrieben wurden. Die Lager befinden sich auf dem Gebiet einer Bleischmelzanlage, die von der "Trepca Mines Company" betrieben wurde. Im Gebiet um die Lager gibt es immer noch hohe Konzentrationen von Blei und anderen Schwermetallen im Boden und in der Luft, sodass alle Lagerbewohner seit Jahren einer sehr hohen Schadstoffbelastung ausgesetzt waren und inzwischen an Bleivergiftung leiden. (Im Lager "Osterode halten sich zurzeit noch 110 Familien und im Lager Cesmin Lug 46 Familien). Walter Kaelin, Vertreter des UN-Generalsekretärs für die Menschenrechte von Binnenflüchtlingen forderte nach seinem Besuch in den Lagern im Juni 2009 eine sofortige Verbesserung der Lage: "Wir dürfen nicht aus politischen Gründen mit dem Leben und Gesundheit dieser kranken Kinder spielen".

Vor diesem Hintergrund sah sich die kosovarische Regierung bis vor kurzem nicht in der Lage, zwangsausgewiesene Roma in die instabile Gesellschaft ihres Landes aufzunehmen. Denn auch die Hilfsprogramme deutscher Organisationen, die die Rückführungen der Flüchtlinge ermöglichen sollen, sind ebenso wenig wie die Projekte des Bundesministeriums für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in der Lage, eine große Anzahl der Rückkehrer zu reintegrieren.

Nach Erkenntnissen des UN-Komitees über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR) bleibt die kosovarische Bevölkerung ethnisch gespalten. Das generelle Klima der Intoleranz ist geblieben und auch die interethnische Gewalt nimmt nicht ab. Die Ablehnung Serbiens, die Unabhängigkeit des Kosovo anzuerkennen, trägt zr Unsicherheit und Instabilität im Kosovo weiter bei.

Laut UN-Flüchtlingswerk UNHCR verlassen rund 90 Prozent der Menschen, die in den Kosovo abgeschoben werden, das Land bereits kurze Zeit später wieder. Auf Grundlage der Einschätzung der Schutzbedürftigkeit durch ein nach wie vor geltendes UNHCR –Positionspapier vom Juni 2006 (wwww.unhcr.de) und Informationen der UNHCR-Büros vor Ort, spricht sich UNHCR dafür aus, dass Angehörige der Roma weiterhin internationalen Schutzes benötigen und eine Rückkehr nur auf freiwilliger Basis erfolgen sollte. Der UNHCR wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eventuelle Rückführungen von nicht schutzbedürftigen Personen vorsichtig zu gestalten sowie angemessen zu begrenzen sind, um die Situation im Kosovo nicht weiter zu destabilisieren.

Da die Rechte der Minderheiten im Kosovo nicht garantiert werden können, ist es ein blanker Hohn und eine Missachtung der Menschenrechte, wenn die deutsche Regierung die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo dazu nutzt, um Minderheiten in den Kosovo abzuschieben.