Ein Massai-Vertreter vor einer Massai-Siedlung in Tansania. Fotomontage aus Fotos von Nadja Grossenbacher und Karin Grossenbacher

 

Trophäenjagd vs. Menschenrechte - Massai in Tansania bitten um unsere Unterstützung!

Sie haben scharf geschossen – sogar auf Fliehende: Das war die Antwort von „Sicherheitskräften“ auf den verzweifelten Protest von Massai im Juni 2022 in Tansania. Die Demonstrierenden waren aufgebracht, denn sie sollen mit Gewalt aus ihrem Gebiet Loliondo vertrieben werden. Damit die Region in ein „Game Reserve“, ein „Wildtierreservat“, für reiche Jagdtouristen umgewandelt werden kann. Menschen, die dort wohnen und ihr Vieh weiden lassen, stören nur.

Die tansanische Regierung will die Kontrolle über das Gelände an einen Jagdveranstalter übergeben. OBC heißt das Unternehmen und organisiert Trophäenjagden vorrangig für die königliche Familie der Vereinigten Arabischen Emirate und deren Gäste.

Tansanias Regierung will sich dieses lukrative Geschäft augenscheinlich nicht entgehen lassen. Sie ist offenbar dazu bereit, nicht nur die Heimat, sondern auch die Menschenrechte der Massai zu „verschachern“ – und dafür die rund 70.000 Massai in Loliondo und mit hoher Wahrscheinlichkeit später zusätzlich die rund 80.000 Massai aus dem Gebiet um den nahen Ngorongoro-Krater zu vertreiben. Auch mit Gewalt.

Das wollen die Massai nicht widerstandslos erdulden. Sie haben dringend um Hilfe gebeten. Und wir unterstützen sie. Für kein Geld der Welt darf ihre Heimat „verkauft“ werden.

Bitte unterstützen Sie unsere Menschenrechtsarbeit mit einer Spende – für die Massai und andere Minderheiten, denen Vertreibung und Flucht drohen!

Schatten aus kolonialen Zeiten

Vertreibung kennen die Massai: So geschah es bereits in den 1950er Jahren, noch unter kolonialer Herrschaft. Sie wurden aus der Serengeti zwangsausgesiedelt, damit dort ein Nationalpark eingerichtet werden konnte. Serengeti heißt grob übersetzt die endlose Ebene – doch was mit diesem Wort aus der Sprache der Massai benannt ist, darf nicht mehr ihre Heimat sein.

Und ihre „Ersatzheimat“, die sie über ein halbes Jahrhundert hinweg bewohnt haben, soll ihnen nun auch entrissen werden – obwohl es gesetzlich verankert ist, dass die Massai im Gebiet um den Ngorongoro-Krater leben dürfen. Allerdings hat die tansanische Regierung schon früh damit begonnen zu tricksen: Immer wieder hat sie die Nutzungs-Regeln für die Regionen rund um den Serengeti-Nationalpark verändert. So wurde gerade einmal drei Jahre nach der sogenannten „Umsiedlung“ in das Territorium um den Ngorongoro-Krater der traditionelle Lebensstil der Massai stark eingeschränkt.

 

Morbider Luxus: Die königliche Familie der Vereinigten Arabischen Emirate jagt gerne Wildtiere. Nicht zuletzt deshalb sollen nun Massai aus ihrer Heimat vertrieben werden. Foto: okyela – stock.adobe.com

 

Überfall im Morgengrauen

Und dann geschieht es: Nach einer Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit gibt am 6. Juni 2022 der Regionalkommissar die Entscheidung bekannt, 1.500 Quadratkilometer von 4.000 Quadratkilometern ausgewiesenen Dorflandes der Massai in ein Wildtierreservat umzuwandeln. Dann geht alles ganz schnell. Am 7. und 8. Juni treffen etwa 700 Sicherheitskräfte ein und schon ab dem 9. Juni setzen sie die Grenzmarkierungen für das Reservat.

Doch die Massai entfernen die Markierungen und bewachen das Gelände. Am frühen Morgen des 10. Juni kehren die Sicherheitskräfte zurück – sie eröffnen mit scharfer Munition das Feuer auf die Massai und setzen Tränengas ein.

Massai schützen die Artenvielfalt

Die Regierung von Tansania tut so, als würde sie vor allem für den Natur- und Tierschutz handeln. Doch die GfbV warnt, dass dieses Vorgehen im Namen des „Naturschutzes“, der Fotosafari und der Trophäenjagd die Massai gefährdet und Geld über ihre Menschenrechte gestellt wird. Außerdem wird die Rolle der Massai als Schützer der Artenvielfalt ignoriert.

Zudem darf die Kontrolle über ein sogenanntes „Wildtierreservat“ nicht einem privatwirtschaftlichen Jagdtourismus- Organisator übergeben werden. Ganz zu schweigen davon, dass die tansanische Regierung mit der begonnenen Vertreibung internationales Völkerrecht gebrochen hat.

 

Ein Massai im Norden Tansanias. Foto: Karin Grossenbacher

 

Das internationale Recht ist auf Seiten der Massai

Die Regierung verstößt gleich mehrfach gegen internationales Recht. Das Völkerrecht sieht vor, Indigene frühzeitig an allen Plänen zu beteiligen, die ihr Territorium betreffen: Keine Entscheidung soll fallen ohne ihre freie, vorherige und informierte Zustimmung (Free, Prior and Informed Consent – FPIC). Doch die Massai in Loliondo und um den Ngorongoro-Krater wurden zu dem Vorhaben gar nicht adäquat befragt.

Tansania hat außerdem der Erklärung über die Rechte indigener Völker der Vereinten Nationen (UNDRIP) zugestimmt – und sie nun verletzt. Ebenso missachtet die Regierung die Vorgaben in der von Tansania unterzeichneten Kampala Konvention der Afrikanischen Union. Diese verbieten es, Menschen willkürlich aus ihren Gebieten zu vertreiben. Ebenfalls ignoriert hat sie den offiziellen Aufruf der African Commission on Human and Peoples' Rights, die Vertreibungen sofort einzustellen.

Und: Durch die Vertreibungen setzt sich die Regierung über eine einstweilige Verfügung des Ostafrikanischen Gerichtshofes (EACJ) aus dem Jahr 2018 hinweg.

Das Gericht angerufen hatten Massai bereits im Jahr 2017. Schon damals hatte es Vertreibungen gegeben. Ranger des Serengeti-Nationalparks hatten bomas, die traditionellen Behausungen derMassai, niedergebrannt. Und die Kläger haben gesiegt: Die gerichtliche Verfügung untersagt es dem Staat, die Dorfbewohner und Dorfbewohnerinnen zu vertreiben, ihr Vieh zu beschlagnahmen, Eigentum zu zerstören oder sie zu schikanieren.

Die Bundesregierung muss Verantwortung übernehmen

Es muss unbedingt verhindert werden, dass Zehntausende Massai vertrieben werden, und das nur für die Trophäenjagd einer kleinen Elite. Mit angeblichem „Naturschutz“ hat das nichts zu tun. Dieses Argument der tansanischen Regierung ist nur ein Vorwand zur Rechtfertigung massiven Unrechts. Deutschland muss Verantwortung übernehmen!

Es kann nicht sein, dass Ranger des Serengeti-Nationalparks, deren Ausrüstung deutsche Steuerzahler mitfinanziert haben, die bomas der Massai niederbrennen. Und es ist zu prüfen, ob mit diesem Geld womöglich auch die Waffen bezahlt wurden, mit denen im Juni Massai beschossen und verletzt wurden.

 

Angriffe auf die Massai 2017: Ranger des Serengeti-Nationalparks brennen mehrere bomas nieder, die traditionellen Behausungen der Massai. Foto: Teklehaymanot G. Weldemichel

 

Was wir getan haben – und weiterhin tun

Wir setzen uns für einen sofortigen Stopp der Vertreibung der Massai ein. Ihre Rechte müssen geachtet werden! Zu den Menschenrechtsverletzungen an den Massai dürfen wir nicht schweigen!

Das tut die GfbV:

Für Außenministerin Annalena Baerbock haben wir eine Stellungnahme mit Informationen und Forderungen verfasst.

  • Wir haben eine schriftliche Stellungnahme beim UN-Menschenrechtsrat eingereicht.
  • Wir haben vor der Botschaft Tansanias demonstriert und einen Appell an den tansanischen Botschafter in Berlin übergeben.
  • Wir halten den Kontakt zu einem Anwalt der verhafteten Massai. Er wird uns über die künftigen Entwicklungen informieren.
  • Sofern wir unterstützend wirken können, handeln wir entsprechend.
  • Unsere Öffentlichkeitsarbeit umfasst Pressemitteilungen, Artikel und Social Media-Posts.
  • Unablässig treten wir für die Menschenrechte der Massai ein.

Je intensiver wir für Menschenrechte von bedrohten Minderheiten, Nationalitäten und indigenen Völkern eintreten können, desto wirksamer sind unsere Aktionen. Bitte helfen Sie uns jetzt mit Ihrer Spende!


Diese Kampagne wurde im September 2022 lanciert.